Transsexueller kämpft um Polizisten-Job: Ohne Hoden keine Uniform
Ein Transsexueller will in Hessen Polizist werden. Doch trotz bestandener Tests verweigert ihm das Land die Anstellung.
Ob ein Polizist einen Hoden haben muss, wird ab Montag vor Gericht verhandelt. Die Verwaltungsrichter in Frankfurt am Main entscheiden in den nächsten Tagen darüber, ob das Bundesland Hessen einem Transsexuellen verweigern darf, als Polizist zu arbeiten. "Das Verhalten der Behörden widerspricht dem Gleichbehandlungsgesetz", sagt der Anwalt des Klägers, Oliver Tolmein. "Mein Mandant wird wegen seines Geschlechts diskriminiert."
Seit zwei Jahren weigert sich die Polizei in Hessen den 36-jährigen U. einzustellen. Zwar hat der als Frau geborene U. die Auswahlprüfung an der Polizeischule bestanden. Bei der nachfolgenden medizinischen Untersuchung entdeckte der Arzt allerdings, dass der Mann sein Geschlecht hatte angleichen lassen. Anfang März 2005 bekam U. von der Polizeischule einen Brief: Er sei wegen des Fehlers 10.3 der Polizeidienstvorschrift 300 abgelehnt. Im Klartext: U. darf nicht als Polizeibeamter arbeiten, weil er keinen Hoden hat.
Der ist für Ordnungshüter in Hessen scheinbar Voraussetzung, um Recht und Ordnung durchsetzen zu können. Für männliche Polizeibewerber verlangt die Dienstvorschrift: "Wenigstens ein Hoden soll hormonell funktionstüchtig sein."
Ist das nicht der Fall, fürchtet die Polizeiführung gefährliche Stimmungsschwankungen aufgrund ungesicherter Hormonzufuhr. Und eine stetige Versorgung mit lindernden Präparaten könne man leider nicht sicherstellen, argumentiert das Land Hessen in einem Schriftsatz. Das ist aber nicht der einzige Grund für die Ablehnung. Störend für Gefechte mit Demonstranten sei auch die Penisprothese, heißt es. Bei "körperlichen Auseinandersetzungen [] in vorderster Front" bestehe ein höheres Risiko für ein Genitaltrauma.
Für U.s Anwalt Tolmein ist diese Argumentation "vorgeschoben und entbehrt nicht einer gewissen Scheinheiligkeit". Sein Mandant trainiere seit vielen Jahren Kampfsport und habe bereits für mehrere Sicherheitsdienste gearbeitet - bisher seien dabei keine besonderen Schwierigkeiten aufgetreten. Zudem nehme U. lang wirkende Hormonpräparate, Stimmungsschwankungen seien daher nicht zu erwarten. Und zum Penisersatz werde man ein ärztliches Gutachten präsentieren, welches belege, dass die Prothese sehr wohl für den Kampfeinsatz geeignet sei. "Dabei handelt es sich nämlich nicht um eine Erektionsprothese mit Hydraulikteilen, an denen man sich tatsächlich verletzen kann, wenn etwas bei einem Handgemenge kaputt geht", sagt Tolmein. Vielmehr bestehe die Prothese aus Silikon und sei damit viel stabiler als jedes männliche Glied aus Fleisch und Blut.
Bei dem Fall gehe es aber um mehr als den Streit über einen künstlichen Penis, sagt Oliver Tolmein: "Andere europäische Staaten und auch einige deutsche Bundesländer haben Transsexuelle als Polizisten eingestellt und positive Erfahrungen gemacht." Es sei an der Zeit, dass sich auch die Sicherheitsbehörden in Hessen öffneten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
BGH-Urteil gegen Querdenken-Richter
Richter hat sein Amt für Maskenverbot missbraucht
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Biden genehmigt Lieferung von Antipersonenminen
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Streit in der SPD über Kanzlerkandidatur
Die Verunsicherung