Transport ins Zwischenlager Gorleben: 16.000 Menschen gegen den Castor
Der größte Anti-AKW-Protest seit Jahren lässt den elften Castor-Transport nur schleppend vorankommen. Unter den Demonstranten: viele Grünen-Politiker.
Mit der größten Anti-AKW-Demonstration seit Jahren und zahlreichen Blockaden auf Schienen und Straßen haben Atomkraftgegner in Gorleben und andernorts am Wochenende die Renaissance der Bewegung gefeiert. Zwischen dem Gorlebener Zwischenlager und dem derzeit eingemotteten Endlagerbergwerk verlangten am Samstag rund 16.000 Demonstranten die "Stilllegung aller Atomanlagen weltweit". Der elfte Castor-Transport mit hochradioaktivem Müll aus der französischen Wiederaufarbeitungsanlage La Hague kam allenfalls schleppend voran.
Für die größte Behinderung sorgten drei Aktivisten, die sich um 12.45 Uhr bei Wörth in Rheinland-Pfalz in einem im Gleisbett versteckten Betonklotz anketteten. Erst 13 Stunden später konnte der Atommüllzug den Blockadepunkt passieren.
In Gorleben selbst war neben jungen und alten Demonstranten aus der Umweltbewegung auch Parteiprominenz anwesend, darunter fast die gesamte Führung der Grünen. "Wir wollen verhindern, dass die Schwarzen und die Gelben den Ausstieg rückgängig machen", sagte Fraktionsvorsitzender Fritz Kuhn der taz. Auch die Linkspartei war, vor allem mit niedersächsischen Politikern, präsent.
Auf der Abschlusskundgebung demonstrierte die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg, dass die Gegner von Castor und Endlager in ihrer Region keine Minderheit sind. Da trat der Landrat des Kreises Lüchow-Dannenberg, Jürgen Schulz (parteilos), ebenso als Redner auf wie der IG-Metall-Bezirksleiter Hartmut Meine.
Die BI-Vorsitzende, Kerstin Rudek, legte den Demonstranten zumindest nahe, sich auch an Blockaden des Castor-Transports zu beteiligen: "Es wird sehr schwer, den Castor-Transport in Zwischenlager durchzubringen, wenn hier sehr viele Menschen sind."
Etwa 500 Demonstranten ließen dem Taten folgen und begannen vor der Zufahrt zum Zwischenlager eine Dauerblockade. 250 von ihnen hielten auch die Nacht hindurch zwischen Strohballen und in hoffentlich guten Schlafsäcken die Stellung. Dreihundert Meter vor dem Zwischenlager blockierten vier Robin-Wood-Aktivisten in luftiger Höhe die Straße. Die zwei Frauen und zwei Männer nächtigten in Hängematten und harrten auch am Sonntag weiter aus.
An weit unangenehmerem Ort musste am Wochenende die französische Atomkraftgegnerin Cécile Lecomte Geduld beweisen. Sie wurde am Donnerstag bei einer Robin-Wood-Aktion an der Bahnstrecke Lüneburg-Dannenberg festgenommen und anschließend per Beschluss eines Richters in "Unterbindungsgewahrsam" genommen, wo sie bis zur Ankunft des Castor-Zuges in Dannenberg bleiben sollte.
An der Bahnstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg waren am Sonntagmorgen über 1.000 Castor-Gegner in großen und kleinen Gruppen unterwegs und besetzten immer wieder kurzzeitig die Gleise. So gelang es einigen hundert Demonstranten, bei Harlingen die Bahnstrecke mit brennenden Strohballen und Baumstämmen zu blockieren und die Schienen zu beschädigen. Polizisten seien mit Silvesterknallern und -raketen beschossen worden, daraufhin seien Schlagstöcke eingesetzt worden, erklärte die Polizei. Nach Angaben der Demonstranten gab es dabei mehrere Verletzte.
Die Polizei trug die Besetzer einzeln weg.
Der Castor-Zug wurde frühestens Sonntagabend in Lüneburg erwartet. Nach Angaben der Polizei war offen, ob der hochradioaktive Müll noch in der Dunkelheit oder erst am Montagmorgen nach Dannenberg rollen sollte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Berliner Kultur von Kürzungen bedroht
Was wird aus Berlin, wenn der kulturelle Humus vertrocknet?
Argentiniens Präsident Javier Milei
Schnell zum Italiener gemacht
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?