Transplantationen für Privatpatienten: Undurchsichtige Organverteilung
Werden privat Versicherte bei der Verteilung von Spenderorganen begünstigt? Die Daten der Stiftung Organtransplantation bringen keine Klarheit.
Einige Transplantationskliniken bevorzugen offenbar privat versicherte Patienten. Gegen diese These, aufgestellt von den SPD-Politikern Wolfgang Wodarg und Karl Lauterbach und gestützt durch eine Studie des Kölner Instituts für Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie, geht nun die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) in die PR-Offensive.
Laut Professor Günter Kirste, medizinischer Vorstand der DSO, fußen die Bevorzugungsvorwürfe auf einer "falschen Datenbasis". Das ist kurios, denn die Kölner Studie, der zufolge 2004 und 2005 knapp 15 Prozent der Organempfänger hierzulande privat versichert gewesen seien, wertete Originalzahlen aller Transplantationszentren aus; die DSO selbst hatte die Zahlen auf ihrer Homepage publiziert - und bis heute nicht berichtigt.
In ihrer "Presseinformation" schreibt die DSO nun, die Daten seien aufgrund unterschiedlicher Zuordnungen in den Kliniken "nicht valide", etwa weil Patienten mit privater Zusatzleistung und Rentner "zum Teil bei den privat Versicherten eingeordnet" worden seien. Details oder gar Korrekturen zu Angaben einzelner Zentren nennt die DSO nicht. Stattdessen liefert die Stiftung eine eigene Bilanz, die sich auf Abrechnungsdaten mit den Krankenkassen der Organverpflanzungen "nach postmortaler Spende" beziehe: "In den Jahren 2004 bis 2007 liegt danach der Anteil der privat Versicherten jeweils knapp unter dem Marktanteil der privaten Krankenversicherungen von rund zehn Prozent."
Das Transplantationsgesetz verlangt mehr Transparenz: Die DSO muss korrekte, zentrumsbezogene Daten veröffentlichen - aus gutem Grund: In bundesweiten Durchschnittswerten drohen Auffälligkeiten unterzugehen und faktisch verschleiert zu werden. Auf diverse Fragwürdigkeiten hatte der Bundestagsabgeordnete Wodarg hingewiesen. Beispiel Hannover: Laut Zahlen der Medizinischen Hochschule, die am Mittwoch ihre 1.000 Lungentransplantation meldete ("europaweiter Rekord!"), standen dort Ende 2005 exakt 130 privat versicherte und nur 38 gesetzlich versicherte Patienten auf der Warteliste für eine Lunge.
Dass es erklärungsbedürftige Diskrepanzen zwischen einzelnen Kliniken gibt, offenbart aber nicht nur der mit Lücken und Fehlern gespickte DSO-Bericht für 2005. Belegt wird dies auch durch die erste öffentlich gewordene Langzeitstatistik, die für Nordrhein-Westfalen gilt und vom bündnisgrünen Landtagsabgeordneten Ewald Groth erfragt worden war.
Basierend auf Selbstauskünften von sechs Universitätskliniken, bilanzierte das vom FDP-Politiker Andreas Pinkwart geführte Wissenschaftsministerium den Zeitraum von Anfang 2000 bis Ende Mai 2007. Nach diesen Zahlen lag der Anteil der privat Versicherten an den Transplantationen in Aachen, Köln und Münster jeweils unter zehn Prozent; in Bonn und Düsseldorf belief sich ihre Quote auf 14,3 beziehungsweise 15,3 Prozent. Klar vorn in NRW liegt das Uniklinikum Essen. Dort wechselten nicht nur mit Abstand die meisten Organe die Körper, dort wurden auch außergewöhnlich viele Privatpatienten operiert: Im abgefragten Zeitraum erhielten in Essen 1.837 Menschen fremde Körperteile. 398 von ihnen - also mehr als jeder Fünfte (21,7 Prozent) - waren privat versichert.
Eine öffentliche Erklärung für die Essener Besonderheiten lieferten bisher weder die beteiligten Chirurgen noch das Ministerium. Bemerkenswert sind zudem Leerstellen im offiziellen DSO-Bericht für 2005: Die Rubriken zum Versichertenstatus der Empfänger von Nieren und Bauchspeicheldrüsen hatte das Transplantationszentrum Essen einfach nicht ausgefüllt.
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