Transparenzgesetz in Rheinland-Pfalz: Kulturwandel mit Ausnahmen
Der Mainzer Landtag verordnet den Ämtern Transparenz. Doch sie gilt nicht für alle. Den Hochschulen geht sie dennoch zu weit.
Die Rollen in der rheinland-pfälzischen Landespolitik sind klar verteilt, das konnte man am Mittwoch im Mainzer Landtag erneut beobachten. Während die oppositionelle CDU-Fraktion eine Beschränkung der Flüchtlingszuwanderung für die Kommunen im Land zur Diskussion stellte, verabschiedete die rot-grüne Regierungsmehrheit im Anschluss ein Gesetz zur Öffnung der Verwaltung.
Das so genannte Tranparenzgesetz soll nicht weniger als einen „Kulturwandel in der Verwaltung“ herbeiführen. Diesen Anspruch stellt Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) an das Gesetz, das das Informationsfreiheitsgesetz des Landes ablöst. Bisher konnten Bürger ohne Angaben von Gründen Auskünfte bei Landesbehörden einfordern.
Das Transparenzgesetz stellt die Auskunftspflicht nun auf den Kopf: Die Ämter müssen künftig sämtliche für die Öffentlichkeit relevanten Dokumente – Gutachten, Ausschreibungen oder Sitzungsprotokolle – von sich aus ins Netz stellen. Die Plattform soll Anfang 2016 Online sein. Als Vorbild dienen die Transparenzportale in Hamburg und Bremen. Die CDU hatte noch versucht, die Transparenzplattform – sowie die Regelung zur Transparenz bei Drittmitteln – per Antrag in letzter Minute zu streichen. Der Änderungantrag wurde aber im Landtag abgelehnt.
Informationsfreiheitsgesetze sind Ländersache. Bis heute haben 11 der 16 Bundesländer Auskunftsrechte eingeführt. Sie erlauben prinzipiell jedermann, bei Landesbehörden und unterstellten Körperschaften, Anstalten und Stiftungen Akten einzusehen. Also auch bei Universitäten und Rundfunkanstalten. Nur Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen halten offenbar nichts von Ämtertransparenz.
Kommunen und Handelskammern ausgenommen
„Das Gesetz in Rheinland-Pfalz ist ein weiterer Schritt in Richtung transparente Verwaltung“, lobt der Freiburger Jurist Friedrich Schoch. Der Verwaltungsrechtler war im September als Experte für Informationsfreiheit zur Anhörung im Mainzer Innenausschuss geladen. Dort beanstandete Schoch jedoch auch die zahlreichen Ausnahmen im Gesetz. Ohne Erfolg: Von der Auskunftspflicht sind etwa Kommunen, die Industrie- und Handelskammern (IHK) im Land sowie die Anstalten des öffentlichen Rechts – SWR und ZDF – ausgenommen. „Diese Regelung halte ich für total überholt“, sagte Schoch der taz.
Der lückenhafte Anwendungsbereich ist nicht der einzige Kritikpunkt am neuen Gesetz. Vor allem der Passus, der die Hochschulen betrifft, wird kontrovers diskutiert. Demnach sind Hochschulen künftig verpflichtet, die Namen ihrer Kooperationspartner und -summen zu veröffentlichen. Obwohl diese Verpflichtung nur für abgeschlossene Drittmittelkooperationen gilt, bangen die Universitäten um Aufträge aus der Wirtschaft. Und die Unternehmen um ihre Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse.
Kooperationspartner im Zweifel anonym
Diese könnten auch gegen deren Willen veröffentlicht werden, sofern das öffentliche Interesse überwiege, fürchtet Gerhard F. Braun, Präsident der Landesvereinigung Unternehmerverbände (LVU). Tatsächlich darf die Hochschule jedoch den Namen des Projektpartners anonymisieren, wenn „vom Namen des Drittmittelgebers auf den Forschungsgegenstand geschlossen werden“ könne, wie es im Gesetzestext heißt.
Die Hochschulen bestreiten, dass Forschung und Lehre überhaupt unter das Gesetz fallen. Aus ihrer Sicht sind Wirtschaftskooperationen keine „Verwaltungstätigkeiten“. Die neue Regelung führe zu Rechtsunsicherheit, kritisiert LVU-Präsident Braun im Wiesbadener Kurier. Dieser Einschätzung schließt sich auch Verwaltungsrechtler Schoch an: „Die Auslegungsspielräume des Gesetzes müssen nun die Gerichte klären“.
Und das könnte bald der Fall sein. Momentan laufen mindestens zwei Klagen gegen die Johannes Gutenberg-Universität Mainz, weil sie sich geweigert hatte, den Auskunftsanfragen zu Wirtschaftskooperationen nachzukommen und Verträge offen zu legen.
Jonas-Luca König vom Landesastenverband begrüßt deshalb das neue Gesetz. Als ersten Schritt, dem weitere folgen müssen: „Der Einstieg in die Transparenz an den Hochschulen ist gemacht.“
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