Transparenz in der Nutztierhaltung: Lasch, lascher, Tierwohlsiegel
Tierschutzverbände kritisieren geplante Standards im Entwurf für das staatliche Label von Bundesagrarminister Christian Schmidt.
Ein Streitpunkt ist das Kupieren genannte Abschneiden von Schweineschwänzen, das eine EU-Richtlinie nur in Ausnahmen erlaubt. In Deutschland ist es trotzdem üblich – und soll wohl auch mit dem Siegel zugelassen bleiben. „Bei einem freiwilligen Label, das Tierwohl auslobt, erwarten wir, dass der Ringelschwanz intakt bleibt“, sagte Angela Dinter, Referentin beim Tierschutzverband Pro Vieh. Mit dem Kupieren wollen Landwirte verhindern, dass sich die Tiere gegenseitig den Schwanz aus Langeweile oder Platzmangel abbeißen.
Agrarminister Schmidt hatte seine Pläne für ein staatliches Tierwohllabel im Januar vorgestellt. In der freiwilligen Initiative soll Fleisch von Landwirten gekennzeichnet werden, die ihre Tiere unter besseren Bedingungen halten als vom Gesetz vorgegeben. 70 Millionen Euro wollte das Ministerium in Werbung investieren und auch Landwirte fördern, die im Sinne des Labels umbauen. Doch schon damals bemängelten Kritiker wie der Grünen-Experte Friedrich Ostendorff, dass es sich bei dem Siegel um Schönfärberei handele.
Dass sich solche Kritik bewahrheitet, befürchtet auch Pro-Vieh-Expertin Dinter, die in den Beratungen des Ministeriums zum Siegel die NGOs vertreten hat. Bisher sei vieles noch nicht klar – etwa wie viele Abstufungen der Kriterien es geben werde. Aber nach jetzigem Stand geht Dinter davon aus, dass die Einstiegsstufe etwa das Kupieren zulasse. Dabei sei das „die wichtigste Stufe überhaupt, da wird sich die breite Masse tummeln“.
Angela Dinter, Pro Vieh
Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des BR bezieht sich das einzig nicht bereits gesetzlich vorgeschriebene Kriterium im bisherigen Entwurf auf den Platz. Ein 100-Kilo-Mastschwein soll demnach auf einem Quadratmeter anstelle von 0,75 leben. Dabei werden Verbraucher für gelabeltes Fleisch wohl trotzdem einen Aufpreis zahlen müssen.
Auf eine taz-Anfrage zur Kritik der Verbände äußerte sich sein Ministerium bis Redaktionsschluss nicht.
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