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Trampen in GriechenlandEin bisschen Nestwärme für alle

Unsere Autorin hat zwei Jahre im Lkw gelebt. Alle vier Wochen schreibt sie über Gehen, Bleiben und Reisebegegnungen. Dieses Mal aus der Provinz Epirus.

Die Provinz Epirus in Griechenland Foto: Maria Maar/westend61/imago

D er Albaner ist der Einzige, der anhält. Das überrascht ihn nicht, sagt er uns, die Griechen nähmen nämlich keine Anhalter mit. Wir sind zu Fuß unterwegs durch den oft noch wilden Nordwesten Griechenlands. Mit dem Rucksack geht es an Landstraßen entlang und durch schroffe Berglandschaften; es sind improvisierte Wanderungen, einen ausgewiesenen Wanderweg gibt es nicht. Niemand läuft hier zu Fuß, außer Hir­t:in­nen mit Ziegen.

Der Albaner nimmt uns mit zur nächsten Stadt. Er ist nach dem Zusammenbruch der Diktatur Enver Hoxhas nach Griechenland gekommen – für ein freies Leben, wie so viele. Er bereut es nicht, obwohl es in Albanien mit jedem Jahr aufwärts ginge, findet er. Aber seine Kinder und Enkel leben hier, und heute fühle er sich als Grieche. Außer wohl beim Autostopp.

Die Provinz Epirus, das Armenhaus Griechenlands, ist ein Ort des Kommens und Gehens. Al­ba­ne­r:in­nen kamen, Grie­ch:in­nen gingen. Vor allem nach Deutschland. Wir hören so viel Deutsch, dass es fast einen unangenehmen Beigeschmack bekommt: Epirus war ein günstiges Arbeitsreservoir, von dem man in Deutschland nichts weiß.

Da ist der Rentner, der lange in Hannover lebte. Mittlerweile ist er zurück im heimischen Dorf. Er zeigt uns seine alte Schule, erzählt von NS-Verbrechen in Epirus und schimpft über den jungen achtlosen Bürgermeister im Dorf, der Umweltzerstörung toleriert, und die italienischen Jäger, die die örtliche Vogelpopulation vernichten. Ganz zugehörig fühle er sich hier nicht mehr. Und doch zieht es ihn zurück in die Heimat. Aber Hannover sei die schönste Stadt Deutschlands, da verhandelt er nicht.

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Überall treffen wir Zurückgekehrte. Und hören von ihren Kindern, die in Deutschland blieben. Wie das Ehepaar in Glyki, einem kleinen Nest an einem wunderschön klaren Gebirgsfluss. Der Sohn arbeitet bei einem großen deutschen Konzern, die Tochter arbeitete gerade beim Oktoberfest, und beides scheint ihnen gleich viel Stolz wert, der Konzern und das Oktoberfest.

Zugleich gibt es die jung Gekommenen. Keine Zurückgekehrten, denn sie wuchsen ja nie hier auf. Eine Wirtin ist in Deutschland groß geworden, aber sie nennt es: „Ich habe dort gewohnt.“ Sie lebt jetzt mit eigenem Restaurant in Griechenland, im Heimatdorf ihres Vaters, eine umgekehrte Erfolgsbiografie. Und zuletzt gibt es die, die keine Wahl hatten. Der Vermieter einer Ferienwohnung erzählt, er musste als Teenager gegen seinen Willen zurückkehren und wurde doch heimisch. Er nimmt uns im Auto mit. Da haben wir längst gelernt, dass auch Grie­ch:in­nen Anhalter mitnehmen. Der Albaner, also der Grieche, hatte Unrecht.

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Alina Schwermer
freie Autorin
Jahrgang 1991, studierte Journalismus und Geschichte in Dortmund, Bochum und Sankt Petersburg. Schreibt für die taz seit 2015 vor allem über politische und gesellschaftliche Sportthemen und übers Reisen. Autorin mehrerer Bücher, zuletzt "Futopia - Ideen für eine bessere Fußballwelt" (2022), das auf der Shortlist zum Fußballbuch des Jahres stand.
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