Trainerwechsel in der Bundesliga: Der blonde Engel wird ein Wolf
Nach dem Einzug ins DFB-Pokal-Viertelfinale muss Aushilfstrainer „Mister Lorenz“ beim VfL Wolfsburg gehen. Die neue Hoffnung heißt Bernd Schuster.
WOLFSBURG taz | Wenn einer wie Diego Ribas da Cunha über die Feiertage nach Hause kommen will, muss solch ein Vorhaben minutiös geplant sein. Von Wolfsburg nach Ribeirão Preto in Brasilien ist es ja kein Katzensprung.
VfL-Spielgestalter Diego hat es sehr gefallen, dass Lorenz-Günther Köstner den finalen Termin des Fußballjahres 2012 auf die Morgenstunden gelegt hatte, wo noch dichter Dunst vom nahe gelegenen Mittellandkanal über die werkseigene Arena waberte. Dann hat er seinem „Mister Lorenz“ ein letztes Mal die Hand geschüttelt. „Es herrschen nun klare Verhältnisse: Ich habe mich von jedem Einzelnen verabschiedet. Natürlich ist man dabei traurig, wenn man eine Mannschaft verlässt“, sagte Köstner.
Wenn die Spieler am 3. Januar wieder zum Dienst erscheinen und dann sogleich ins Trainingslager an die türkische Riviera jetten, wird aller Voraussicht nach Bernd Schuster das Sagen haben – immerhin einer, der einst mindestens genauso liebevoll den Ball behandelte wie Diego.
„Wir wollen es so schnell wie möglich klarmachen“, bestätigte Geschäftsführer Klaus Allofs. Der 52-Jährige könnte bereits heute vorgestellt werden, auch wenn laut Allofs „noch verschiedene Dinge“ zu klären seien. An den Neuen erging diese Vorgabe: „Wir wollen erfolgreich sein, offensiven und organisierten Fußball spielen.“ Vom Abstiegskampf spricht beim Tabellen-15. erstaunlicherweise niemand.
Hauptsache spanisch
Dem Vernehmen nach geht der Deal mit dem wieder in Augsburg beheimateten Schuster auf Volkswagen-Manager Francisco Javier Garcia Sanz zurück, der nicht nur im zwölften Stock des VW-Verwaltungshochhauses ein goldenes Türschild vor seinem Büro hängen hat, sondern auch alles schätzt, was aus dem spanischen Fußball kommt.
Sanz verehrte seinen bereits 2005 und 2010 umgarnten Freund schon, bevor dieser Real Madrid 2008 zum Meister machte. Dass der allzu oft unnahbar wirkende Weltstar allerdings davor und danach weder in Xerez, Donezk, Levante, Getafe oder zuletzt bei Besiktas Istanbul länger als zwei Jahren arbeiten durfte, blenden die Chefentscheider offenbar aus – Schuster soll einen Vertrag bis 2015 erhalten.
Bis heute stellt sich die Frage, wofür dieser Mann als Trainer steht. Interessant, dass der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende Stephan Grühsem zuletzt angekündigt hatte, einen Wandel einleiten zu wollen, der Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit und irgendwann auch den Einbau des eigenen Nachwuchses vorsieht. Inwiefern Schuster solche Werte verkörpert, erschließt sich schwerlich. Und es ist erstaunlich, welche Ablehnung der auch als Fernsehexperte recht blass wirkende Fußballlehrer erfährt: Taxifahrer oder Werksangehörige in der Autostadt schütteln den Kopf über diese Personalie.
Allofs und das „erste Mal“
Pikant wirkt dabei die Rolle des zuletzt mitunter äußerst schmallippigen Allofs: Er hat zwar in seinen 14 Jahren bei Werder Bremen annähernd 100 Spieler verpflichtet, aber noch nie einen Trainer – seine Wunschkandidaten (Dieter Hecking, Mirko Slomka, Thomas Tuchel) sollen alle schnell Ablehnung signalisiert haben. „Vor Weihnachten möchte ich wissen, wer nächstes Jahr hier Trainer ist“, hatte am Vorabend noch Bas Dost nach dem Einzug ins DFB-Pokal-Viertelfinale verlangt. Köstner hatte seinen Torjäger freudetrunken über den Rasen geschleppt und sich später mit tränenerstickter Stimme für das Vertrauen bedankt.
Die 60 Jahre alte Kultfigur verbringt die Feiertage in seinem Eigenheim mit Bergpanorama nahe dem schwäbischen Winnenden. Vorher will er noch zerrüttete Männerfreundschaften kitten und Felix Magath, Bernd Hollerbach und Werner Leuthard anrufen. „Dann wünsche ich allen ein frohes Weihnachtsfest“ – und Bernd Schuster wohl ein solch glückliches Händchen, wie er es bei seinem letzten Auftritt beim 2:1 gegen Bayer Leverkusen hatte.
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