Tradition und Moderne: Kramermarkt ohne LuST
■ Homo-Verein LuST von Kramermarkt-Umzug in Oldenburg ausgeschlossen
Die zweite Bürgermeisterin Oldenburgs, die Grüne Hiltrud Neidhardt, schießt gegen ihre Verwaltung: Im Namen der Grünen fordert sie die Stadt auf, die Teilnahme des schwullesbischen „LuST e.V.“ am Kramermarktumzug doch noch zu ermöglichen. LuST organisiert den Oldenburger Christopher Street Day und hätte gerne mit einem Wagen an dem Umzug zu Beginn des Volksfestes teilgenommen.
Viel Aussicht auf Erfolg hat die Grüne nicht. Schon am 18. Juli hatte das Ordnungsamt einen Brief an LuST e.V. geschrieben, um die Ablehnung des Teilnahmewunsches zu begründen. Der Korb erfolge „ausdrücklich nicht aufgrund fehlender Toleranz gegenüber der von Ihnen gewählten Lebensform“, versichert der zuständige Beamte. Allerdings seien zwei Kriterien für die Zulassung zu dem Umzug zu berücksichtigen: Zum einen sei die Länge des Zuges begrenzt, zum anderen solle „der historisch gewachsene Charakter des Umzugs ... auch für die Zukunft erhalten bleiben“.
Was der historisch gewachsene Charakter des Kramermarktes ist, erklärt der Beamte im Folgenden: „Anders als bei den Karnevalsumzügen der Rheinmetropolen, die ja von der Politsatire leben, sollen der Kramermarkt und der Umzug das unpolitische Volksfest bleiben“. Der ausschließliche Volksfestcharakter werde dadurch unterstrichen, dass in der Region ansässige Vereine „vorrangig heimatliches Brauchtum dar(stellen)“. Der gewachsene Charakter könne aber „nur dadurch erhalten werden, dass politisch orientierte Darstellungen dem Umzug fernbleiben“. Der von LuST beabsichtigte Beitrag aber berühre „unmittelbar die tagespolitisch aktuelle Frage einer rechtlich zu legalisierenden gleichgeschlechtlichen eheähnlichen Beziehung.“ Dann, befürchtet der Beamte, bekäme der Umzug „einen völlig neuen Charakter“.
Tatsächlich sollen neben LuST auch eine „Hand voll anderer Bewerber“ abgelehnt worden sein, berichtet Bürgermeis-terin Neidhardt. Doch die Begründung der Stadt kann sie nicht nachvollziehen: So habe LuST zwar angekündigt „für Toleranz“ werben zu wollen – dass damit die Homoehe gemeint sei, sei aber eine Interpretation der Stadtverwaltung. Die Ablehnung jedenfalls sei „in keiner Weise stichhaltig und entbehrt jeglicher Grundlage“. Grundsätzlich müsse es möglich sein, dass sich langjährig aktive Vereine auf dem Umzug präsentieren dürfen. Neue und „dem Zeitgeist entsprechende“ Darbietungen würden zu der Attraktivität des Umzuges beitragen, argumentiert die Grüne.
Dass mit dem Umzugswagen mitnichten für die Homoehe, sondern eher allgemein für Toleranz geworben werden sollte, bestätigt auch Thomas Rüger vom LuST-Verein. „Die Politik sollte bewusst im Hintergrund stehen – wir wollten einfach zeigen, wie bunt Oldenburg sein kann“, sagt er. Besonders fadenscheinig findet er die Ablehnung durch die Stadtverwaltung, da in diesem Jahr auch ein Musik-Lastwagen des NDR zugelassen wurde. Wie sich das mit der vielzitierten Tradition des Umzuges verträgt, ist ihm schleierhaft.
Die Ablehnung soll nun Konsequenzen haben. So wird der LuST-Verein vermutlich am Donnerstag beschließen, formell Beschwerde gegen die Ablehnung einzulegen und um eine substanziellere Begründung zu bitten. Auch die Grünen wollen es bei einem Bittbrief an die Verwaltung nicht bewenden lassen. Neidhardt formulierte eine offizielle Anfrage für die September-Sitzung des zuständigen Ausschusses. Jetzt will Neidhardt wissen, welche Kriterien für eine erfolgreiche Anmeldung bei dem Umzug gelten, welche Gruppen sich dieses Jahr angemeldet und welchen abgesagt wurde. cd
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