Tournee Kyuss: Bis in der Wüste die Dünen wackeln
Sie haben den Stonerrock erfunden. Nun kehren drei Viertel der Band Kyuss mit mächtiger Geste auf die Bühne zurück. Und verhielten sich wie im Übungsraum.
Stonerrockfans sind treu. Gehen immer alle zum Konzert, bangen fleißig Heads mit oder ohne Haarpracht dran, trinken Bier und werfen Becher, werden nie zu alt für gefährlich viele Dezibel.
In der Berliner Columbiahalle, wo John Garcia, Gründungsmitglied der Stonerrockband "Kyuss", am Mittwoch mit dem 75-prozentigen Kyuss-Nachfolger "Kyuss lives" spielte, zittert der Steinboden bis in den ersten Rang, und man tastet ständig nach dem Handy, weil man Vibrationen spürt: Über 20 Jahre nach der Gründung der Band aus Palm Desert in der kalifornischen Wüste geht es nach wie vor um Krach in den tiefen Frequenzen.
Garcias Stimme hat sich kaum verändert. Er wirkt nüchterner als bei so manchem Gig, den die Übermutter der Stonerbands in den 90ern gab, und das Gegenlicht lässt seinen massigen Oberkörper vor dem Mikroständer, Standbein fest auf der Bühne, Spielbein auf einer Monitorbox abgestützt, die langen, frisch gewaschenen Haare leicht fliegend, die Arme an den Seiten herunterbaumelnd, wie eine Blaupause für ein Hardrock-Cover aussehen: Diese Pose ist elementar.
Er wird bei diesem lauten, fast schon ängstlich kontrollierten Konzert noch weitere Posen einnehmen, die die Band charakterisieren. Olivieri, von dem man angesichts der ungewohnt still disziplinierten Bühnenpräsenz denken könnte, er habe sich ausgerechnet bei der Reunion-Tour entschlossen, bis Ostern zu fasten, spielt mit gesenkter Glatze seinen tiefen Bass, hinten trommelt der über jeden Zweifel erhabene Brant Bjork, rechts stakt der Gitarrist Bruno Fevery in Josh Hommes großen Fußstapfen.
"Ich liebe Josh wahnsinnig", hatte Garcia zuvor bei einem Interview am Telefon gesagt, hier war es früher Abend, dort, in dem kleinen, einsamen Wüstenort, in dem Garcia mit seiner Familie lebt, später Morgen, und man musste ihn ein paar Mal anrufen, denn als full blend Stonerrocker fuhr er während des Gesprächs Auto und hatte immer wieder Empfangsschwierigkeiten, wegen der vielen Dünen. Er liebe Josh, aber die Chance, dass der "Queens of the Stone Age"-Kopf noch mal mit seinen alten Freunden Musik macht, tendiere gegen null. Außerdem gebe es Zeitprobleme, sagt Garcia diplomatisch.
Für sich selbst spielen
Während zu Kyuss zwar die Getreuen kommen und jedes Solo, jeden Break bejubeln, laufen Queens of the Stone Age dazu noch in den Playlists der Radiosender, Josh Homme wird stetig interviewt, und Frauen mit unterschiedlichsten Musikgeschmäckern betrachten seufzend seine Fotos. Was zur anderen, charakteristischen Pose, die "Kyuss lives" am Mittwoch einnahm, passte: Garcia mit dem Rücken zum Publikum, selbstvergessen ins Mikro schreiend. Wie im Übungsraum.
Trotz großer Bühne scheinen sie die Songs von den meisten der vier Kyuss-Alben in erster Linie für sich selbst zu spielen. Und für ihre Kumpels, die im Saal Luftschlagzeug und -gitarre dreschen. Die echte, Feverys Gitarre klingt nicht so selbstsicher, so filigran-massiv wie Hommes, aber psychedelisch und aussagekräftig genug, um ihn zu feiern. Beim Interview hatte Garcia davon gesprochen, wie stolz er als Um-die-40-Jähriger den Jüngeren, die Kyuss nicht sehen konnten, seine Band zeige. "Ich will meine Vergangenheit zelebrieren", sagt er und dass jede Probe eine Ehre gewesen sei.
Nach der Tour soll es ein neues Album geben. Wenn nicht, warten andere Projekte auf Garcia, sein Job als Tierpfleger läuft auch nicht weg. Aber Stonerrockfans sind treu. Am Mittwoch verlassen sie nach dem letzten Stück mit klingenden Ohren die Halle. Und würden immer wiederkommen.
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