Tourismus: Viele Betten verderben den Preis
In Berlin gibt es inzwischen mehr Hotelbetten als in New York. Der damit verbundene Preiskampf der Konkurrenten beunruhigt Arbeitgeber und Gewerkschafter.
Der Wachstumsmotor Tourismus entwickelt in Berlin zunehmend übel riechende Abgase. Etwa 8.000 Hotelbetten sollen den Marketing-Experten von BTM zufolge in diesem und im nächsten Jahr neu geschaffen werden. Dabei zählt Berlin schon jetzt mehr Übernachtungsmöglichkeiten als New York. Daraus ergibt sich ein Preiskampf, der Opfer fordern wird, befürchten Gewerkschaften und Unternehmerverband gleichermaßen.
Aktuell gibt es 126.000 Betten in Hotels und Hostels, 30.000 mehr als in New York. Die neuen Betten entstünden vor allem an den bekannten Orten, sagte am Montag der Sprecher von Berlin Tourismus-Marketing (BTM), Christian Tänzler. "Vieles wird um den Alex herum gebaut, in der Gegend um den Hauptbahnhof und in der City West." Tänzler wehrte damit Befürchtungen ab, Szene-Kieze würden von Hostels überflutet. "Das verteilt sich."
Kritischer sieht er allerdings den aus dem Wachstum resultierenden Preiskampf. "Berlin ist der härteste Hotelmarkt der Welt." Die niedrigen Übernachtungspreise sorgen in der Branche überhaupt für Stirnrunzeln: Die zuständige Gewerkschaft NGG klagt, der Druck wirke sich auf Löhne und Arbeitsbedingungen aus. "Natürlich muss man Kapazitäten zur Verfügung stellen für die mehr als 30 Millionen Übernachtungsgäste, die schon in fünf Jahren erwartet werden", sagte Gewerkschaftssekretär Sebastian Riesner der taz. Derzeit marschiert die Hauptstadt auf 22 Millionen Übernachtungen pro Jahr zu. Der Übernachtungsmarkt habe sich aber zum "krebsartigen Geschwür" entwickelt, mit "verheerenden" Folgen für die Beschäftigten, kritisierte Riesner. "Die Personalkosten sind die einzige Stellschraube, an der Unternehmer drehen können."
Riesner zufolge hält sich lediglich ein Bruchteil der 10.500 Branchenbetriebe an den Tarifvertrag, der Stundenlöhne ab 8,10 Euro vorsieht. Die meisten der an die 37.000 versicherungspflichtig Beschäftigten müssten mit schlechten Arbeitsbedingungen bei niedrigen Gehältern leben. Lange gehe das nicht mehr gut, warnte der Gewerkschafter: Wenn Unternehmen gute Leute haben wollten, müssten sie ordentliche Arbeitsbedingungen bieten. "Die Branche sucht Auszubildende."
Auch der Interessensverband der Unternehmer, der Dehoga, sieht dieses Spannungsfeld. "Es gibt ein Nachwuchsproblem", sagte Sprecherin Kerstin Jäger. Man könne den Betrieben aber nicht vorschreiben, welche Löhne sie zu zahlen hätten. "Jeder muss selbst dahinter kommen, wie attraktiv er sich als Arbeitgeber macht", sagte Jäger.
Brisant wird die Lage nach Ansicht der Dehoga vor allem für kleinere Betriebe: Die Preise würden durch das Buhlen um Gäste gedrückt, die laufenden Kosten stiegen und der gute Nachwuchs wolle auch gute Arbeitsbedingungen. Tänzler vom BTM stimmte dieser Einschätzung zu. "Erfahrungsgemäß verlieren am ehesten die Pensionen und kleineren Hotels", sagte der Sprecher. Sie hätten nicht die Möglichkeiten geballter Marketing-Aktivitäten wie große Häuser und internationale Ketten. "Heutzutage muss man den ganzen Mix beherrschen, von Internet über Social Media bis hin zu traditioneller Werbung."
Vor allem die Gewerkschaft fordert daher ein Eingreifen der Politik. Nur wenn der Hotelmarkt reguliert würde, könne der Preiskampf gemildert werden, sagte Riesner. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft erklärte auf Nachfrage, sie vertraue auf den Wettbewerb: Der Markt werde die Situation regeln. Grundsätzlich seien neue Hotelprojekte ein Beweis für die Attraktivität Berlins, so Senatorin Sybille von Obernitz (parteilos).
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