: Tourette-Syndrom
■ betr.: „Ach komm!“ von Martin Sonneborn, taz vom 18.11. 97
Werter Sonneborn,
werter Gsella!
Erst hinhören – dann nachschlagen – dann hinschreiben! Das ist Journalismus.
Leider habt Ihr im vorliegenden Fall schon die erste Hürde nicht ganz stolperfrei genommen (übermäßige Pflege des „jahrhundertealten Kulturguts“ von Seite 8?) Unter „Tourette-Syndrom“, nicht unter „Too-Beth“, gibt der Pschyrembel Auskunft über das Leiden des Studenten. Too bad! Benannt ist das Syndrom nach dem Pariser Neurologen Gilles de la Tourette (1857–1904), was schon darauf hinweist, daß es keineswegs „erst vor kurzem in Amerika erfunden wurde“. Die zwanghaften unflätigen Äußerungen werden in Medizinerkreisen „Koprolalie“ genannt (Kopro-: Kot; lalein: sprechen). Leider gibt es auf Erden auch eine Menge Menschen, die trotz intakten Gehirns ziemlich viel Scheiße reden. Andrea Kamphuis,
Bergisch Gladbach
Lieber Martin Sonneborn, Thomas Gsella und Du, Ihr guckt einfach zu selten Schreinemakers und lest zu wenig Oliver Sacks. Sonst hätten Euch bei der Erwähnung des Wortes „Tick“ die Ohren klingeln müssen, und Ihr hättet im Pschyrembel einfach weiter unten unter „Tourette-Syndrom“ nachgesehen (statt unter „Too-Beth- Syndrom“), wo Ihr dann weiter auf „Gilles-de-la-Tourette-Syndrom“ verwiesen worden wäret. [...]
Aber spannender als die im Pschyrembel beschriebenen Symptome, und die Ätiologie sind gewiß Oliver Sacks' Schilderungen von zwei Menschen mit dem Tourette-Syndrom zu lesen: „Witty Ticky Ray“ (aus: „Der Mann, der seine Frau mit einem Hut verwechselte“, Reinbek 1987) und Dr. Bennetti in „Das Leben eines Chirurgen“ (ich glaube aus: „Eine Anthropologin vom Mars“, Reinbek 1995), in denen die Eigenarten des Syndroms, deren Auswirkungen auf die Menschen und deren Umgang damit beschrieben werden. Der Student, den Ihr getrofffen habt und der über Eure Witze gar nicht lachen wollte (es mag ja nun mal nicht jedeR über die Witze lachen, die über die (Rand- )Gruppe gerissen werden, der er/ sie angehört), hat jedenfalls mit Sicherheit das Tourette-Syndrom und nicht das Too-Beth-, Two- Beth- oder To-Bet-Syndrom. Menschen mit dem To-Bet-Syndrom (welches tatsächlich nicht im Pschyrembel beschrieben ist) trifft man übrigens in englischen Wettläden zuhauf. Fae Griep, Bremen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen