■ Tour d'Europe: Brutale Statistik
Gewaltanwendung aller Art hat unter Jugendlichen in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen: Darüber sind sich die meisten Beobachter einig. Viele sehen darin eine Antwort auf eine gewalttätige Gesellschaft. Ein Blick auf Polizeistatistiken belegt diese These freilich nicht: Falls die Zahl der Gewalttaten tatsächlich zugenommen hat, so sind diese zumindest nicht bis zur Anzeige gelangt, bewegen sich im Freizeit- und Schulbereich. Statistiken aus England und Wales etwa zeigen, daß die Zahl der verurteilten Kriminellen im Jahre 1991 mit 337.800 um knapp 5.000 im Vergleich zum Vorjahr abgenommen hat. Der Index von Jugendlichen unter 17 Jahren, die Gewalt gegen Personen angewandt haben, ist von 3.500 im Jahre 1990 auf 3.200 1991 gesunken. Es gibt keinen Bereich, in dem die Delikte zugenommen haben. Insgesamt ist die Zahl der verurteilten Jugendlichen 1991 mit 21.900 um 2.600 im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Für Spanien läßt sich für den Zeitraum von 1991 und 1992 dasselbe sagen. Nach Angaben des Innenministeriums wurden noch 1991 in ganz Spanien 3.273 Jugendliche wegen Raubes festgenommen, im Jahr darauf waren es nur noch 1.735. Sowohl die Quote von Morden seitens Jugendlicher als auch von Körperverletzungen ist im vergangenen Jahr auf fast die Hälfte gesunken. In Italien wird für den Zeitraum von 1990 bis 1992 eine Steigerung von Gewalttaten durch Jugendliche unter 25 Jahren um 33 Prozent vermerkt, die unter 14jährigen, sind sogar um 44 Prozent mehr durch Gewalttaten (inklusive Raubüberfall, Handtaschenraub etc.) straffällig geworden. Diese starke Steigergungsrate könnte allerdings damit zusammenhängen, daß Opfer in den vergangenen Jahren weniger als zuvor auf Mafia und Camorra zurückgriffen, um Gerechtigkeit (oder geklaute Handtasche) zu erlangen und mehr auf die Polizei. In der so beklagten Bundesrepublik sind die Festnahmen von Jugendlichen unter 21 in den vergangenen Jahren gesunken. Einbegriffen in das Sinken der angezeigten Straftaten sind Vergewaltigung und sexuelle Belästigung, in Spanien etwa weist die Statistik für 1991 379 Festnahmen wegen Vergehens gegen die sexuelle Freiheit auf, im Jahr darauf sind es nur noch 233. Möglicherweise wird allerdings für leichtere Vergehen hier keine Festnahme vorgenommen. Andererseits ist in Spanien in den vergangenen Jahren die Sensibilität für sexuelle Belästigungen gewachsen. Italien scheint in diesem Zusammenhang einen Sonderweg zu beschreiten: Von 1985 bis 1992 (dem letzten Statistikjahr) haben Gewalttaten gegen Frauen (Vergewaltigung, versuchte Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, gesetzlich verfolgbare Anzüglichkeiten) um 77 Prozent zugenommen, von 1991 auf 1992 um 13 Prozent. Täter unter 25 Jahren sind dabei in 4.843 Fällen festgestellt, also etwa 60 Prozent aller Fälle. Freilich könnte die Statistik auf die Verschärfungen im Sexualstrafrecht zurückgehen sowie auf eine gestiegen Bereitschaft von Frauen, in solchen Fällen Anzeige zu erstatten.-Ant-
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