Totschlagverdacht: Polizist festgenommen: Polizei nimmt Kollegen wegen Totschlagverdachts fest
Nach den tödlichen Schüssen auf einen flüchtenden Straftäter hat die Staatsanwaltschaft offenbar neue Erkenntnisse, die zur Festnahme führten.
Der Berliner Polizist, der Silvesterabend in Brandenburg einen gesuchten Straftäter erschoss, ist am Montag festgenommen worden. Außerdem wurden die Wohn- und Diensträume des 34-jährigen Kommissars durchsucht. Am Dienstag soll der Beamte in Neuruppin einem Richter zum Erlass eines Haftbefehls wegen Verdachts des Totschlags vorgeführt werden. Für denselben Tag hat die Staatsanwaltschaft Neuruppin zu einer Pressekonferenz geladen, auf der die vorläufige Auswertung der Rekonstruktion des Tatablaufs sowie erste kriminaltechnische Ergebnisse bekannt gegeben werden sollen.
Der 26-jährige Dennis J. war Silvesterabend in dem brandenburgischen Ort Schönfließ durch Schüsse aus einer Polizeipistole ums Leben gekommen. Über die genauen Umstände der Tat war in den Medien viel spekuliert worden. Gesichert ist bislang nur so viel: Dennis J. war wegen drei Haftbefehlen seit geraumer Zeit zur Fahndung ausgeschrieben. Durch einen Hinweis hatte das Berliner Landeskriminalamt (LKA) erfahren, dass sich der gesuchte Silvester bei seiner Freundin in Schönfließ (Oberhavel) aufhält. Das LKA hatte die Nachricht an den Polizeiabschnitt 25 (Charlottenburg-Wilmersdorf) weitergeleitet. Der schickte eine mit drei Beamten besetzte Zivilstreife los.
Das sei ein üblicher Vorgang, sagte Polizeipräsident Dieter Glietsch zur taz. Einige Medien hatten sich darüber verwundert, dass der Haftbefehl ausgerechnet Silvester vollstreckt werden sollte. Es gebe Ausnahmeregelungen, bestätigte Glietsch. Die beträfen aber Haftbefehle mit dem ausdrücklichen Vermerk "an Sonn- und Feiertagen nicht vollstrecken". Bei J. sei das nicht der Fall gewesen, betonte der Polizeipräsident.
Die drei Berliner Polizisten trafen Dennis J. tatsächlich in Schönfließ an. Der unbewaffnete Mann wurde erschossen, als er mit einem gestohlenen Auto zu flüchten versuchte. Dabei soll er einen der Polizisten am Bein verletzt und den Polizeidienstwagen gerammt haben. Dem Vernehmen hat nur einer der Beamten gefeuert, das aber gleich sechsmal. Allein das Fluchtauto wies vier Einschüsse auf.
Angeblich wurde J. oberhalb des Herzens getroffen. Der Leitende Oberstaatsanwalt von Neuruppin, Gerd Schnittcher, wurde Anfang letzter Woche mit dem Satz zitiert: "Es war kein gezielter Schuss". Eine Zeitung schlagzeilte daraufhin: Polizist entlastet. Querschläger tötete flüchtenden Dieb".
Es schien nur noch eine Frage der Zeit, bis das gegen den Beamten eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Totschlags eingestellt wird. Aber nun hat sich das Blatt offenbar gewendet, nachdem der Tathergang in in Schönfließ rekonstruiert worden ist und die Ballistiker der Kriminaltechnik ihr Gutachten abgegeben haben.
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