: Tote im Pankisi-Tal
Erstmals hat es bei russischen Luftangriffen auf das von Tschetschenen bewohnte Tal in Georgien Tote gegeben. Moskau weist Vorwürfe zurück
MOSKAU taz ■ Der Konflikt zwischen Russland und Georgien hat sich verschärft. Drei Menschen kamen am Freitag ums Leben, als russische Militärflugzeuge das Pankisi-Tal beschossen, berichteten georgische Behörden. Acht weitere Menschen seien bei dem rund 40-minütigen Angriff in der Nähe des Dorfes Buchrewi verletzt worden, hieß es von der Bezirksverwaltung in Achmeta. Seit Ausbruch des zweiten Tschetschenienkrieges sind russische Kampfflieger mehrfach in den georgischen Luftraum eingedrungen, bislang hatte es jedoch keine Todesopfer gegeben. Russlands Verteidigungsminister Sergej Iwanow wies die Vorwürfe zurück, russische Militärs seien beteiligt gewesen: „Natürlich hat Russland damit nichts zu tun.“ Ähnliche Unterstellungen habe es von georgischer Seite häufiger gegeben. Auch der Sprecher der russischen Luftwaffe dementierte und bot Tiflis Aufnahmen der Luftüberwachung zur Begutachtung an.
Das Pankisi-Tal ist Moskau seit langem ein Dorn im Auge. Dort wohnen Tschetschenen, deren Vorfahren Ende des 18. Jahrhunderts vor den russischen Kolonisatoren nach Georgien flohen. Auch in den Wirren des letzten Krieges flüchteten Tausende Tschetschenen in die abgelegene Bergregion. Seither behauptet Moskau, das Pankisi-Tal diene tschetschenischen Freischärlern als Militärbasis und sei ein Hort des internationalen Terrorismus. Außer dem Warlord Ruslan Gelajew halten sich dort aber offenbar keine Feldherren auf.
Als Ordnungsmacht hat Tiflis im Pankisi-Tal längst kapituliert. Aber nicht tschetschenische Freischärler, wie vom Kreml unterstellt, führen dort das Regiment, sondern Kriminelle verschiedenster Herkunft. Das Unvermögen der georgischen Zentralmacht, für Ordnung zu sorgen, nahm Moskau zum Anlass, von Tiflis die Erlaubnis zum Einsatz russischer Soldaten in der Schlucht zu verlangen. Georgien lehnte ab, auch mit dem Hinweis auf US-Ausbilder, die seit April georgische Militärs schulen.
Moskaus georgische Manöver haben nur indirekt mit dem Tschetschenienfeldzug zu tun. Seit dem Schulterschluss mit der Antiterrorkoalition wittert Russland die Chance, den abtrünnigen Kaukasusstaat wieder heimzuholen. Erst vorige Woche hatte Iwanow demonstrativ Garnisonen im Nordkaukasus besucht.
KLAUS-HELGE DONATH
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