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Totalitäres Weltbild

■ betr.: „Herr, wirf Hirn vom Him mel!“, taz vom 7. 4. 97

Wolfgang Gast schreibt, unter den Dingen, die man Scientology zum Vorwurf machen könne, befinde sich – unter anderem – „ein exzessives totalitäres Weltbild“. Einige Zeilen weiter behauptet er, „eine verfassungsfeindliche Bestrebung zu unterstellen, die zielgerichtet den Sturz der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen trachtet“, sei hingegen nicht möglich.

Dazu eine Bemerkung: Jedes totalitäre Weltbild impliziert ein Menschenbild, das mit den Idealen der Aufklärung und des mündigen Bürgers nicht viel gemein hat. Persönliche Freiheit, Meinungsfreiheit und die Würde des Individuums werden bei Scientology in grober Weise mißachtet. Diese Menschenrechte sind aber wesentlicher Bestandteil unserer Verfassung (vgl. Art. 1 bis 5 GG).

Um an den Grundfesten unserer Verfassung zu rütteln, ist es also nicht unbedingt notwendig, einen Sticker mit dem Motto „Parlament? Find' ich scheiße!“ deutlich sichtbar ans Revers zu heften. Auch über den Umweg der Verbreitung eines Menschenbildes, das persönliche Freiheiten gegenüber dem als Gemeinwillen propagierten Eigeninteresse (hier: von Scientology) zurückstellt, kann letztlich das politische System einer parlamentarischen Demokratie gefährdet sein. Denn: Demokratie lebt von der Eigenverantwortlichkeit emanzipierter Bürgerinnen und Bürger.

Insofern finde ich, daß die Formulierung von Wolfgang Gast die Gefährdung unseres politischen Systems durch Scientology verharmlost. Ich bin, ebenso wie Herr Gast, der Meinung, daß nur umfangreiche Aufklärung – ganz im Sinne des oben erwähnten Konzeptes des emanzipierten Bürgers/ der Bürgerin – und nicht der Einsatz des Verfassungsschutzes das beste Mittel gegen die machtbessene Sekte ist. Stefan Funk, Wuppertal

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