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"Totaldurchmarsch des Fundamentalismus"Linkspartei verliert Top-Europäerin

Die EU-Politikerin Sylvia-Yvonne Kaufmann geht zur SPD und der umstrittenen Trotzkistin Lucy Redler wird die Aufnahme in die Linke verweigert.

Geht zur SPD - auf Kosten der Linken: Sylvia-Yvonne Kaufmann. Bild: dpa

BERLIN taz | Einen Tag nachdem der Berliner Haushaltsexperte Carl Wechselberg aus der Linkspartei ausgetreten ist, verlor die Linke am Donnerstag eine weit prominentere Figur: Die EU-Parlamentarierin Sylvia-Yvonne Kaufmann. Anders als Wechselberg hat sie in der SPD auch bereits eine neue Heimat gefunden. SPD-Parteichef Franz Müntefering stellte sich am Donnerstag mit Kaufmann und dem SPD-Europaabgeordneten Martin Schulz vor die Presse, um seine Freude über den Neuzugang zu verkünden.

Schulz rühmte Kaufmann als "außergewöhnlich engagierte Sozialistin, eine Frau von hohem Sachverstand und enormem Einfluss in Brüssel", mit der ihn ein "sehr sehr intensiver und menschlich naher Arbeitsprozess" verbinde. Müntefering sagte, man stehe seit einigen Wochen in Kontakt. Offenbar habe sich Kaufmann nicht aus einer Laune heraus entschieden, "sondern das ist gewachsen".

Die 54-jährige Kaufmann, zu DDR-Zeiten SED-Mitglied, war 1994, 1999 und 2004 PDS-Spitzenkandidatin für die Europawahlen, saß seit 1999 im EU-Parlament und war von 2004 bis 2007 auch dessen Vizepräsidentin. Auf ihrem Europaparteitag am 1. März dieses Jahres in Essen jedoch stellte die Linkspartei sie überhaupt nicht mehr auf.

"Ich habe mich geweigert, ein klares Glaubensbekenntnis gegen den Vertrag von Lissabon abzugeben", erläuterte Kaufmann am Donnerstag. Die Listenaufstellung und die Art, wie die Linskpartei "Sachverhalte verfälscht" und die "unbestreitbaren Fortschritte des Lissabon-Vertrags leugnet", seien Beweise für den "Totaldurchmarsch des Fundamentalismus".

Sie wolle nicht länger für diese "europapolitische Geisterfahrt in Haftung genommen" werden. Sie sei mit ihrem Versuch, der Linkspartei ein proeuropäisches Profil zu verleihen, "komplett gescheitert". Es "tut mir auch persönlich weh" zu wissen, dass viele in der Linken nun enttäuscht sein müssten. Sie hoffe aber auf Respekt für ihre Entscheidung. Abgesehen von der Europafrage bedauerte sie ausdrücklich, "dass die Linke die SPD permanent dämonisiert". Es sei "nur das Anti zur SPD, das diese Partei vorantreibt".

Der von Kaufmann diagnostizierte neue fundamentalistische Kurs der Partei geht aber nicht so weit, die umstrittene Trotzkistin Lucy Redler aufzunehmen. Die Bundesschiedskommission der Linkspartei versagte ihr den Parteieintritt. Der stellvertretende Bundesvorsitzende Klaus Ernst hatte im Herbst gegen ihren Aufnahmeantrag Einspruch eingelegt. Er warf Redler vor, zu gemeinsamen Zeiten in der WASG Parteibeschlüsse missachtet zu haben.

STA, UWI

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18 Kommentare

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  • J
    J.B.

    Die SPD ist also pro-NATO und kapitalistisch und die Linke ist weder das eine noch das andere?

    Ich würde bezweifeln, dass die Linkspartei anti-kapitalistisch ist. Was machen die denn während der Krise? Wollen wohl gerne Opel verstaatlichen? Soll das etwas eine Alternative sein? Der Kapitalismus findet sich in privaten Unternehmen aber auch im Staat. Die Forderung kann also nur Selbstverwaltung von Unternehmen lauten. Die Argentinier machen das ja gerade sehr gut vor und in den 30er Jahren in Katalonien hat das auch geklappt. Aber sowas kommt in den Hirnen der ganzen Partei-Linken gar nicht vor, stattdessen brüstet man sich damit, dass man gegen Hartz-IV ist, gegen die NATO und natürlich in erster Linie gegen die SPD.

    Dieser Staats-Zentrismus nervt.

  • W
    wilko0070

    Eine abgewrackte Linkenpolitikerin, die beim Europa-Parteitag der Linken dreimal für einen aussichtsreichen Listenplatz kandidiert hatte – und dreimal durchgefallen war, wechselt nun zur SPD, natürlich wegen der "antieuropäischen" und "verbalradikalen Haltung" der Linkspartei.

    Nun ja, wen interessiert's, außer der "freien Presse", die das Ganze als eine "Flucht vor Lafontaine" interpretiert und schon das baldige Ende der Linkspartei nahen sieht.

    Die SPD wird noch viel Freude mit dieser "zur Besinnung gekommenen" neuen Genossin haben, vielleicht will sie ja hier (völlig selbstlos natürlich) auch einen sicheren EU-Listenplatz für sich beanspruchen. Ich glaube, das "Metzger-Prinzip" wird unter Berufspolitikern langsam gesellschaftsfähig.

  • HR
    Helmut Ruch

    Es ist interessant, wie schnell diese Meldung und der zugehörige Kommentar von Reinecke von der Titelseite verschwunden sind, das gleiche bei SPIEGEL-Online. Der Onlineausgabe der Süddeutschen war der ganze Vorgang nicht einmal eine Kurzmeldung wert. Kein gutes Omen für Müntes Wahlkampfstrategie gegen die LINKE!

  • HB
    Hans Brandt

    Herr Müntefering sprach von einem "seit einigen Wochen" bestehenden Kontakt zu Frau Kaufmann. Sie ist also schon lange zweigleisig gefahren. Was wurde da ausgehandelt? Ehrenvoll kann das nicht sein. Ich bedauere ihren Schritt. Indes wechselt sie politisch gesehen von einem linksdemokratisch angestrebten Europa zu einem NATO-bestimmten kapitalistischen Verbund. Und das bei dieser Krise des Kapitalismus! - Dass sie nun die LINKE "dämonisiert" ist nur folgerichtig. - Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter, sagt ein Sprichwort.

  • A
    anmerker

    Ein richtiger Schritt. Wer sozialdemokratisch denkt, soll sich auch in der SPD engagieren. In der aktuellen Auseinandersetzung um die Verteidigung sozialer Rechte war Sylvia-Yvonne eher ein Ärgernis. Daher sollte die Linke diesen Vorgang als notwendigen Reinigungsprozeß mit freudigem abnicken quittieren. Danke Frau Kaufmann! Sie sind jetzt am Ziel angekommen.

  • A
    Axel

    "Top-Europäerin" ??? - die taz-redaktion vergreift sich wieder einmal in der Wortwahl. Wieviele Abstufungen an Europäern gibt es für die taz denn? Sind nur Wechsler von Linker zur SPD taz-Top-Menschen?

    Kaufmann ist erst kürzlich in einem üblichen demokratischen Wahlverfahren auf dem Europaparteitag der Linken nicht gewählt worden. Geht es vielleicht in erster Linie um Mandate und finanzielle Versorgung?

  • J
    J.B.

    Die SPD ist also pro-NATO und kapitalistisch und die Linke ist weder das eine noch das andere?

    Ich würde bezweifeln, dass die Linkspartei anti-kapitalistisch ist. Was machen die denn während der Krise? Wollen wohl gerne Opel verstaatlichen? Soll das etwas eine Alternative sein? Der Kapitalismus findet sich in privaten Unternehmen aber auch im Staat. Die Forderung kann also nur Selbstverwaltung von Unternehmen lauten. Die Argentinier machen das ja gerade sehr gut vor und in den 30er Jahren in Katalonien hat das auch geklappt. Aber sowas kommt in den Hirnen der ganzen Partei-Linken gar nicht vor, stattdessen brüstet man sich damit, dass man gegen Hartz-IV ist, gegen die NATO und natürlich in erster Linie gegen die SPD.

    Dieser Staats-Zentrismus nervt.

  • W
    wilko0070

    Eine abgewrackte Linkenpolitikerin, die beim Europa-Parteitag der Linken dreimal für einen aussichtsreichen Listenplatz kandidiert hatte – und dreimal durchgefallen war, wechselt nun zur SPD, natürlich wegen der "antieuropäischen" und "verbalradikalen Haltung" der Linkspartei.

    Nun ja, wen interessiert's, außer der "freien Presse", die das Ganze als eine "Flucht vor Lafontaine" interpretiert und schon das baldige Ende der Linkspartei nahen sieht.

    Die SPD wird noch viel Freude mit dieser "zur Besinnung gekommenen" neuen Genossin haben, vielleicht will sie ja hier (völlig selbstlos natürlich) auch einen sicheren EU-Listenplatz für sich beanspruchen. Ich glaube, das "Metzger-Prinzip" wird unter Berufspolitikern langsam gesellschaftsfähig.

  • HR
    Helmut Ruch

    Es ist interessant, wie schnell diese Meldung und der zugehörige Kommentar von Reinecke von der Titelseite verschwunden sind, das gleiche bei SPIEGEL-Online. Der Onlineausgabe der Süddeutschen war der ganze Vorgang nicht einmal eine Kurzmeldung wert. Kein gutes Omen für Müntes Wahlkampfstrategie gegen die LINKE!

  • HB
    Hans Brandt

    Herr Müntefering sprach von einem "seit einigen Wochen" bestehenden Kontakt zu Frau Kaufmann. Sie ist also schon lange zweigleisig gefahren. Was wurde da ausgehandelt? Ehrenvoll kann das nicht sein. Ich bedauere ihren Schritt. Indes wechselt sie politisch gesehen von einem linksdemokratisch angestrebten Europa zu einem NATO-bestimmten kapitalistischen Verbund. Und das bei dieser Krise des Kapitalismus! - Dass sie nun die LINKE "dämonisiert" ist nur folgerichtig. - Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter, sagt ein Sprichwort.

  • A
    anmerker

    Ein richtiger Schritt. Wer sozialdemokratisch denkt, soll sich auch in der SPD engagieren. In der aktuellen Auseinandersetzung um die Verteidigung sozialer Rechte war Sylvia-Yvonne eher ein Ärgernis. Daher sollte die Linke diesen Vorgang als notwendigen Reinigungsprozeß mit freudigem abnicken quittieren. Danke Frau Kaufmann! Sie sind jetzt am Ziel angekommen.

  • A
    Axel

    "Top-Europäerin" ??? - die taz-redaktion vergreift sich wieder einmal in der Wortwahl. Wieviele Abstufungen an Europäern gibt es für die taz denn? Sind nur Wechsler von Linker zur SPD taz-Top-Menschen?

    Kaufmann ist erst kürzlich in einem üblichen demokratischen Wahlverfahren auf dem Europaparteitag der Linken nicht gewählt worden. Geht es vielleicht in erster Linie um Mandate und finanzielle Versorgung?

  • J
    J.B.

    Die SPD ist also pro-NATO und kapitalistisch und die Linke ist weder das eine noch das andere?

    Ich würde bezweifeln, dass die Linkspartei anti-kapitalistisch ist. Was machen die denn während der Krise? Wollen wohl gerne Opel verstaatlichen? Soll das etwas eine Alternative sein? Der Kapitalismus findet sich in privaten Unternehmen aber auch im Staat. Die Forderung kann also nur Selbstverwaltung von Unternehmen lauten. Die Argentinier machen das ja gerade sehr gut vor und in den 30er Jahren in Katalonien hat das auch geklappt. Aber sowas kommt in den Hirnen der ganzen Partei-Linken gar nicht vor, stattdessen brüstet man sich damit, dass man gegen Hartz-IV ist, gegen die NATO und natürlich in erster Linie gegen die SPD.

    Dieser Staats-Zentrismus nervt.

  • W
    wilko0070

    Eine abgewrackte Linkenpolitikerin, die beim Europa-Parteitag der Linken dreimal für einen aussichtsreichen Listenplatz kandidiert hatte – und dreimal durchgefallen war, wechselt nun zur SPD, natürlich wegen der "antieuropäischen" und "verbalradikalen Haltung" der Linkspartei.

    Nun ja, wen interessiert's, außer der "freien Presse", die das Ganze als eine "Flucht vor Lafontaine" interpretiert und schon das baldige Ende der Linkspartei nahen sieht.

    Die SPD wird noch viel Freude mit dieser "zur Besinnung gekommenen" neuen Genossin haben, vielleicht will sie ja hier (völlig selbstlos natürlich) auch einen sicheren EU-Listenplatz für sich beanspruchen. Ich glaube, das "Metzger-Prinzip" wird unter Berufspolitikern langsam gesellschaftsfähig.

  • HR
    Helmut Ruch

    Es ist interessant, wie schnell diese Meldung und der zugehörige Kommentar von Reinecke von der Titelseite verschwunden sind, das gleiche bei SPIEGEL-Online. Der Onlineausgabe der Süddeutschen war der ganze Vorgang nicht einmal eine Kurzmeldung wert. Kein gutes Omen für Müntes Wahlkampfstrategie gegen die LINKE!

  • HB
    Hans Brandt

    Herr Müntefering sprach von einem "seit einigen Wochen" bestehenden Kontakt zu Frau Kaufmann. Sie ist also schon lange zweigleisig gefahren. Was wurde da ausgehandelt? Ehrenvoll kann das nicht sein. Ich bedauere ihren Schritt. Indes wechselt sie politisch gesehen von einem linksdemokratisch angestrebten Europa zu einem NATO-bestimmten kapitalistischen Verbund. Und das bei dieser Krise des Kapitalismus! - Dass sie nun die LINKE "dämonisiert" ist nur folgerichtig. - Die Hunde bellen, die Karawane zieht weiter, sagt ein Sprichwort.

  • A
    anmerker

    Ein richtiger Schritt. Wer sozialdemokratisch denkt, soll sich auch in der SPD engagieren. In der aktuellen Auseinandersetzung um die Verteidigung sozialer Rechte war Sylvia-Yvonne eher ein Ärgernis. Daher sollte die Linke diesen Vorgang als notwendigen Reinigungsprozeß mit freudigem abnicken quittieren. Danke Frau Kaufmann! Sie sind jetzt am Ziel angekommen.

  • A
    Axel

    "Top-Europäerin" ??? - die taz-redaktion vergreift sich wieder einmal in der Wortwahl. Wieviele Abstufungen an Europäern gibt es für die taz denn? Sind nur Wechsler von Linker zur SPD taz-Top-Menschen?

    Kaufmann ist erst kürzlich in einem üblichen demokratischen Wahlverfahren auf dem Europaparteitag der Linken nicht gewählt worden. Geht es vielleicht in erster Linie um Mandate und finanzielle Versorgung?