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To'n Düvel mit'n Sex

■ Zum schlechten Image des Niederdeutschen, und warum das Theater so spießig ist: ein Gespräch mit Ulf-Thomas Lesle vom Institut für niederdeutsche Sprache

Die einen denken beim niederdeutschen Theater gleich an wackelnde Kulissenwände und klischeebeladenes Boulevardtheater und wenden sich mit Grausen ab. Dennoch können die niederdeutschen Theater sich nie über Publikumszuspruch beklagen. Anläßlich des niederdeutsches Theatertreffens in Oldenburg erläutert Dr. Ulf-Thomas Lesle vom Institut für niederdeutsche Sprache Bremen, wie sich dieser Spagat erklären läßt.

taz: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Niederdeutsch und Plattdeutsch?

Dr. Ulf-Thomas Lesle: Da gibt's keinen.

Wie kommt es zu dem spießigen Image des niederdeutschen Theaters?

Davon versucht man spätestens seit Beginn der 80er Jahre loszukommen. Aber mittlerweile ist das so zementiert, daß man da nicht mehr viel machen kann. Allerdings muß man wissen, daß sich hinter dem Begriff niederdeutsches Theater sehr Unterschiedliches in Qualität und Struktur verbirgt.

In der Hierarchie der Theater stehen oben an die Berufsbühnen, wie in Hamburg, Schwerin und Bremen, aber darunter die Theater der niederdeutschen Bühnenbünde, dann eine Vielzahl von Amateurtheatern und letztendlich eine schier unüberschaubare Zahl mehr oder minder spontaner Zusammenschlüsse von Leuten, die anläßlich eines Feuerwehrballs plattdeutsches Theater spielen. Das alles ist niederdeutsches Theater, ein ungeheures Potential, das dazu geführt hat, daß niederdeutsches Theater synonym ist mit der niederdeutschen Sprache.

Wieviele Leute schauen denn so etwas an?

Eine Menge, das ist eine beachtliche Zahl. Plattdeutsches Theater boomt.

Können Sie es vergleichen mit dem hochdeutschen Theater?

Mit Sicherheit mehr. Also grob dürften es pro Jahr mehr als 1 Million Zuschauer sein.

Warum hat sich gerade die Kombination Theater und Niederdeutsch durchgesetzt, warum ist es nicht Plattdeutsch und Märchen oder Lyrik?

Weil Theater diesen Ereignis-Charakter hat und eben immer Öffentlichkeit herstellt. Andererseits gibt es in der Geschichte des Niederdeutschen die Zeit der „niederdeutschen Bewegung“ vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis –45, wo versucht wurde, den niederdeutschen Menschen zu erfinden. Das lief auch stark über das Theater. Die Plattdeutschen verstanden sich nicht als Minderheit damals, sie wollten die „besseren“ Deutschen sein. Und nach 1945 brach damit der Überbau des niederdeutschen Theaters weg. Das Unterhaltsame trat in den Vordergrund. Denn das anspruchsvollere niederdeutsche Schauspiel war ja belastet vom Gedanken des „Völkischen“, so daß sich bis in die 60er Jahre nichts findet als das Lustspiel und der Schwank. Erst vor dem Hintergrund desssen, was auf dem hochdeutschen Theater geschah, der Brecht-Rezeption und der Aufwertung des Volkstheaters, erst als man sah, daß Mundarttheater mehr sein kann, als Denunziation des kleinen Mannes, nämlich dem Volk auf's Maul schaun, tat sich was.

Es gibt in der Literatur auch Autoren wie Konrad Hansen und Ingo Sax, die es auf überzeugende Weise verstanden haben zu zeigen, daß Lachen und Nachdenken sich nicht widersprechen müssen. Nur, das ist kein Schenkelklopf-Theater, das ist keine lautstarke Belustigung, das ist ein Theater des Schmunzelns.

Wie schlägt sich das in dem Programm des Theatertreffens wieder?

In nur fünf niederdeutschen Stücken neben zehn Übertragungen aus dem Hochdeutschen. Ich will jetzt nicht sagen, daß die Übertragungen nichts auf dem niederdeutschen Theater zu suchen hätten, das wäre absurd. Aber ich finde doch, daß zu wenig Sorgfalt herrscht bei der Überlegung, was ins niederdeutsche Sprachmilieu verpflanzt werden kann.

Und was geht nicht?

Ein engliches Gesellschaftsstück zum Beispiel, in dem dann alle Personen unterschiedslos plattdeutsch sprechen, weil dies eine Künstlichkeit darstellt. Ich bin dann eher dafür, daß manche Figuren Hochdeutsch sprechen, um so auch in der Anrede etwas nachzubilden wie wirklich gesprochene Sprache. Mich graust es bei so Stücken wie „To'n Düvel mit'n Sex“ - alle snacken platt, ob alt, ob jung, egal welche soziale Stellung sie bekleiden.

Und was wären Gegenbeispiele, wie sollten Autoren für ein spezifische Niederdeutsches Theater schreiben?

Themen aus der Alltagswelt der Plattsprecher, Hafen- und Schiffermilieu meinetwegen. Sax sind da ein paar wirklich überzeugende Dinge gelungen, Stücke aus der Arbeitswelt der Trucker – „wat steiht kost Geld“. Das sind Stücke, wie sie auf dem hochdeutschen Theater gar nicht vorkommen, nicht vorkommen können.

Sind es solche Stücke, oder ist es die niederdeutsche Sprache, die hier Identität wiederspiegelt?

Es ist ja in den letzten Jahren verstärkt die Diskussion geführt worden, ob denn das Niederdeutsche in die Carta der Minderheitensprachen aufzunehmen sein und es ist immer wieder betont worden, daß die Sprache für viele Menschen noch so etwas darstellt wie Ausdruck ihrer Bindung an Heimat, an Region.

Nun haben es ja andere Minderheitensprachen wie das Walisische, das Katalanische, das Baskische, geschafft mit viel kämpferischem Elan die Sympathien der Linken zu erlangen.

Es handelt sich ja beim Niederdeutschen um die ältere Schwester des Hochdeutschen, nicht um eine Minderheitensprache. Das Niederdeutsche war einst Verkehrssprache des deutschen Nordens und ist auch heute noch für viele Menschen bewußt gewähltes Ausdrucksmittel und ich denke, daß die Kulturbehörde, das zur Kenntnis zu nehmen hat.

Die anderen Sprachen haben sich Respekt und dann auch eine Förderung verschafft, so daß jetzt in den Schulen zum Teil ganz in Katalan oder Walisisch unterrichtet wird. Stände das nicht dem Niederdeutschen ganz gut an?

Natürlich ist das Teil des Begehrens, das sich da artikuliert, daß der Unterricht in Plattdeutsche einen größeren Raum einnimmt.

Wie lernt denn ein Kind heute Plattdeutsch, oder genauer, findet es überhaupt noch statt?

Tja, eigentlich findet es nicht mehr statt. Die Weitergabe ist abgebrochen. Die Älteren sprechen nur noch untereinander, aber die Jungen sind davon ausgeschlossen.Und das ist schon seit 50 Jahren so. Das liegt an der öffentlichen Einschätzung des Plattdeutschen als der Sprache der Minderbemittelten, der jenigen, die sich nicht „richtig“ auszudrücken verstehen.

Wie haben sie Plattdeutsch gelernt?

Einmal durch Vorlesen zu Hause, was in bestimmten bildungbürgerlichen Schichten durchaus nichts Ungewöhnlichenes war, und dann am Arbeitsplatz, im Hafen

Fragen: Susanne Raubold

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