Tötung Osama bin Ladens: Eine Quelle reicht nicht aus
Vieles zur Bin-Laden-Tötung ist noch unklar: Gab es vor der Erschießung einen Kampf? Warum stürzte der Hubschrauber ab? Welche Rolle spielte Pakistan?
BERLIN taz | Drei Tage nach dem Einsatz der US Navy Seals in Pakistan gibt es eine ganze Reihe Fragen zum Ablauf der Aktion, die derzeit noch vollkommen ungeklärt sind. Ob sie sich nach normalen journalistischen Standards jemals lückenlos beantworten lassen, bleibt unklar. Denn die einzige Quelle, auf die sich die Medien weltweit berufen können, ist die US-Regierung selbst – und jene Anwohner rund um das Grundstück in Abbottabad, die in der Nacht den Hubschrauberlärm hörten, aber nicht viel mehr. Unabhängige Recherche ist angesichts dessen schwierig bis unmöglich.
Der wichtigste Fragenkomplex betrifft die Erschießung Osama bin Ladens. Ist der Al-Qaida-Gründer im Kampf getötet worden? Oder wurde er gezielt umgebracht, obwohl man ihn auch hätte festnehmen können? Nach vierzig Minuten Feuergefecht, heißt es in den Berichten, seien die Seals im Innern des Hauses zu bin Laden vorgedrungen. Dann gehen die Darstellungen auseinander: Manche Berichte sagen, bin Laden selbst habe geschossen. Andere, er habe sich "gewehrt". Wieder andere behaupten, er habe eine der Frauen, die dann auch getötet wurde, als Schutz benutzt. Aus dem Weißen Haus hieß es zunächst, bin Laden selbst habe keine Waffe gehabt, und Obama selbst sprach in seiner Rede davon, bin Laden sei nach dem Feuergefecht getötet worden, nicht währenddessen.
Wie glaubhaft die Aussage des Einsatzleiters ist, man habe versucht, Osama bin Laden festzunehmen, habe ihn aber aufgrund der Gegenwehr nur erschießen können, kann nicht geklärt werden. Eine Obduktion der Leiche, die Aufschluss geben könnte, aus welcher Entfernung der Kopfschuss abgegeben wurde, ist nicht mehr möglich - die Leiche wurde Stunden später im Meer bestattet. Über die völkerrechtliche Legalität der Erschießung bin Ladens kann insofern nichts ausgesagt werden.
Warum stürzte der Hubschrauber ab?
Aber es gibt weitere Fragen. Was genau war die Ursache für den Absturz eines der beiden US-Hubschrauber? Offiziell hieß es zunächst, es habe Probleme mit dem Motor gegeben. Dann wurde suggeriert, aufgrund des Beschusses durch bin Ladens Leute hätte ohnehin der ursprüngliche Plan, das Einsatzkommando auf das Gelände abzuseilen, aufgegeben und gelandet werden müssen. Das spricht dafür, dass der Hubschrauber getroffen notlanden musste. Was stimmt?
Dann die Frage, ob und in welchem Umfang die pakistanische Regierung informiert war. US-Außenministerin Hillary Clinton bedankte sich mehrfach für Pakistans Kooperation – gleichzeitig verlautet offiziell, die pakistanische Regierung sei nicht eingeweiht gewesen. Im Gegenteil: Die US-Hubschrauber hätten sich nach der Aktion, verfolgt von pakistanischen Kampfjets, beeilen müssen, wieder afghanisches Gebiet zu erreichen, erst dann habe Obama die pakistanische Regierung informiert. Was stimmt?
Und welchen Beweis gibt es schließlich dafür, dass in diesem Haus tatsächlich Osama bin Laden getötet wurde? Oft schon wurde in den vergangenen Jahren von der einen oder anderen Stelle sein Tod bekannt gegeben – was bei einem zuckerkranken Dialysepatienten wie bin Laden auch nicht so unwahrscheinlich schien –, dass zumindest ein Beweis für die Behauptung, man habe ihn am Sonntag in Pakistan umgebracht, nötig sein wird.
Wenn Barack Obama und sein engster Beraterstab im Lagezentrum des Weißen Hauses tatsächlich per Videoschaltung die gesamte Kommandoaktion mittels Berichten von CIA-Chef Panetta nachvollziehen konnten, dann wird kein Weg daran vorbeiführen, die Videobilder der Aktion sehr schnell zu veröffentlichen.
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