Tötung Osama bin Ladens: Was die Pakistaner wussten
In den USA wachsen die Zweifel an der Verlässlichkeit des ungeliebten Partners. Unklar bleibt auch, ob pakistanische Stellen über die Operation informiert wurden.
BERLIN taz | Die pakistanische Regierung hat lange gebraucht, ehe sie sich zur Tötung des meistgesuchten Terroristen durch ein US-Kommando in ihrem Land geäußert hat. Präsident Asif Ali Zardari wählte dafür schließlich einen Meinungsbeitrag in der Washington Post. Vorwürfe, Pakistan schütze Terroristen, die es zu fangen vorgebe, "würden aufregende diplomatische Depeschen ergeben, aber nicht den Tatsachen entsprechen", schrieb er in der Dienstagsausgabe. Seine Regierung habe nicht gewusst, wo Osama bin Laden gewesen sei. "Er war nicht dort, wo wir ihn vermutet hatten."
Zugleich räumte Zardari ein, dass es "keine gemeinsame Operation" beider Länder gewesen sei. Die Amerikaner hätten vielmehr allein gehandelt. Dennoch sei die Ausschaltung bin Ladens das Ergebnis einer Dekade der Kooperation gewesen. Schließlich habe Pakistan bei der Enttarnung des Kuriers geholfen, der auf bin Ladens Spur führte.
Pakistans Regierung, die seit Ende 2001 stets betonte, dass bin Laden nicht in ihrem Land sei, steht jetzt dumm da. Ihre Erklärungsnot ist umso größer, als bin Laden nicht im bergigen Grenzgebiet zu Afghanistan aufgespürt wurde, sondern in einer gut bewachten Garnisonsstadt eine Stunde Autofahrt nördlich der Hauptstadt. Die auffällige Villa befand sich nur wenige hundert Meter von der Militärakademie entfernt, wo erst vor Tagen Armeechef Ashfaq Parvez Kayani von Pakistans effizientem Kampf gegen den Terror gesprochen hatte.
Wusste der mächtige Militärgeheimdienst ISI wirklich nichts über den Aufenthaltsort bin Ladens, haben die Amerikaner die Pakistaner als ineffizient vorgeführt. War der ISI informiert, wäre damit sein seit Jahren vermutetes Doppelspiel entlarvt.
War der Geheimdienst involviert?
Unklar ist auch, ob und wie weit der Geheimdienst in die Aktion gegen bin Laden involviert war. ISI-Chef Ahmed Shuja Pasha sprach zunächst von einer gemeinsamen Operation mit den Amerikanern. Dies würde dem ISI am besten ins eigene Image passen. Andere pakistanische und amerikanische Geheimdienstquellen erklärten jedoch in verschiedenen Medien, es sei eine reine US-Aktion gewesen, über welche die Pakistaner erst anschließend informiert worden seien. Das wiederum würde Pakistans Militär als schwach dastehen lassen, da es den eigenen Luftraum nicht schützen konnte.
Möglich ist auch eine dritte Variante: Dass pakistanische Stellen von den USA sehr wohl vorab über eine Aktion informiert wurden, aber nicht wussten, dass es sich um bin Laden handelte. Bereits im Januar war in Abbottabad ein indonesischer Terrorist, der bei den Anschlägen in Bali 2002 eine wichtige Rolle spielte, gestellt worden. Die Amerikaner hätten jetzt mit vollen Vorabinformation eine Warnung bin Ladens riskiert, ohne jede Information aber den Abschuss ihrer Hubschrauber.
Deshalb könnte es zu einer ähnlich informellen und nicht offenen Arbeitsteilung gekommen sein, wie es bei den US-Drohnenangriffen in den Stammesgebieten längst üblich ist. Auch da haben Pakistans Machthaber dies einheimischen Medienberichten zufolge grundsätzlich gebilligt. Ihre Militärs und der ISI helfen bei der Identifikation von Zielen. Aber zugleich werden sie von der CIA nicht über Details informiert. Öffentlich hingegen fordert Pakistan stets, dass die Drohnenangriffe eingestellt werden.
Die USA bemüht sich um Diplomatie
Auffällig ist nun, wie diplomatisch die US-Regierung mit Pakistan umgeht. Bei ihrem Besuch in Islamabad im Oktober 2009 hielt es Außenministerin Hillary Clinton noch für unglaubwürdig, dass niemand in der pakistanischen Regierung über den Aufenthaltsort der Al-Qaida Führung Bescheid wisse. Jetzt hingegen erwähnte sie zwar die Kooperation mit Pakistan, bedankte sich dafür aber ebenso wenig wie Präsident Barack Obama.
Deutlicher wurde dessen Sicherheitsberater John Brennan. Er nannte es als "unvorstellbar", dass bin Laden ohne eine "System der Unterstützung" für längere Zeit habe Unterschlupf finden können. Die USA wollen dies untersuchen. Eine solche Untersuchung versprach auch Pakistans Botschafter in Washington.
Die scheint auch dringend nötig. Denn im Kongress ist der Unmut über den ungeliebten Partner unüberhörbar: Viele Abgeordnete hätten ein Problem damit, ein Land zu unterstützen, das sich nicht mit ganzer Kraft einbringe, sagte die Vorsitzende des Geheimdienstausschusses, die demokratische Senatorin Dianne Feinstein. Und ihr Parteifreund Frank Lautenberg ergänzte in Anspielung auf die 20-Milliarden-Dollar-US-Hilfe, die das Land in den letzten zehn Jahren erhalten hat: "Bevor wir nur einen einzigen weiteren Cent bewilligen, wollen wir wissen, ob Pakistan im Kampf gegen den Terror wirklich an unserer Seite steht." Aus Angst vor Racheakten schlossen die USA ihre Botschaft in Islamabad und ihre Konsulate für den Geschäftsbetrieb.
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