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Tötung Osama bin LadensDas Bild bleibt unvollständig

Wie ist der US-Geheimdienst bin Laden auf die Spur gekommen? Eine Debatte über die Zulässigkeit von Folter und das Beweismittel Foto ist entbrannt.

Obama auf dem Weg zum Ground Zero in New York. Bild: dapd

WASHINGTON taz | Die Bilder von dem zerschossenen Kopf von Osama bin Laden werden nicht veröffentlicht. So hat es in Washington Barack Obama entschieden. "Das entspricht nicht dem, was wir sind", sagte der US-Präsident am Mittwoch. Und argumentierte zugleich mit der "nationalen Sicherheit". Die Veröffentlichung der Bilder, so Obama, könnte US-Bürger in aller Welt gefährden.

Das Machtwort des Präsidenten beendet eine aufgeregte zweieinhalbtägige Debatte in Washington. Dabei verliefen die Trennlinien quer durch die Parteien und Institutionen. Einer der prominentesten Befürworter einer Veröffentlichung ist Leon Panetta. Der gegenwärtige CIA-Chef, dessen Institution die Aufsicht über die Geheimoperation in Pakistan hatte, wird demnächst in die Regierung überwechseln. Als Verteidigungsminister. Zu den erklärten Gegnern der Veröffentlichung gehörten der gegenwärtige Verteidigungsminister Robert Gates sowie Außenministerin Hillary Clinton.

"Haben Sie die Fotos gesehen?", wird Obama in einem Interview des Senders CBS gefragt. "Ja", antwortet der Präsident. Und fügt hinzu: "Er ist es." Nach Beschreibung jener Insider in Washington, die Zugang zu den Bildern haben, sind sie "gruselig". Auf Osama bin Laden sind am Sonntag zwei Schüsse abgegeben worden. Einer davon ging durch seinen Kopf.

Während das Bild von bin Laden Verschlusssache bleibt, hat die Agentur Reuters Fotos von drei Männerleichen gekauft, die nach dem Abzug der US-amerikanischen Elitetruppe Seal 6 auf dem Gelände zurückblieben. Die Bilder sind von pakistanischen Sicherheitsagenten aufgenommen, die nicht namentlich genannt sind. Wie viel für die Bilder gezahlt wurde, hat Reuters nicht bekannt begeben. Die Männer auf den Bildern liegen in großen Blutlachen.

Debatte über "Waterboarding"

Parallel zu der Fotofrage befasst sich Washington ebenfalls intensiv mit der Folterfrage. Dabei fällt das Stichwort "Folter" nur selten. Stattdessen ist von "Waterboarding" die Rede. Es handelt sich dabei um eine Foltermethode, bei der das Opfer auf eine feste Unterlage fixiert und mit Wasser zugeschüttet wird. Manche Gefangene in Guantánamo haben dieses simulierte Ertrinken Dutzende Male erlitten. An bin Laden ist der Kelch Guantánamo vorübergegangen.

Doch seine Tötung hat das inzwischen verbotene "Waterboarding" wieder populär gemacht. Zahlreiche konservative Politiker - unter anderen Exverteidigungsminister Donald Rumsfeld - verwiesen in ihren Reaktionen auf bin Ladens Tötung auf den Nutzen von "verbesserten Verhörmethoden". Und viele erwähnten ganz ausdrücklich das "Waterboarding". Diese Foltermethode, so wollen ihre Verteidiger wissen, hätte überhaupt erst das Auffinden von bin Laden möglich gemacht.

Das ist eine gewagte Behauptung. Denn bislang ist völlig offen, welche Information - und wann genau - tatsächlich den Weg nach Abbottabad gewiesen hat. Unter anderem wird immer wieder ein Kurier von bin Laden erwähnt. Er hat den Kriegsnamen "Abu Ahmed al-Kuwaiti". Und dieser Kriegsname ist in Guantánamo auch zahlreichen prominenten Gefangenen in Verhören vorgehalten worden. Manche von ihnen sollen dazu "verdächtig" geschwiegen haben. So viel ist bekannt.

Verdächtiges Schweigen

Jedoch nicht, ob dieses "verdächtige" Schweigen mit oder ohne Folter zustande kam. Das Weiße Haus hat zudem in den vergangenen Tagen immer wieder "viele verschiedene" Spuren erwähnt, die nach Abbottabad geführt hätten. Es nennt neben Verhören in Guantánamo, von denen manche schon vor vielen Jahren stattgefunden hätten, auch die Erkenntnisse verschiedener Geheimdienste an verschiedenen Orten der Welt.

Hintergrund der Waterboarding-Debatte ist die Sorge mancher Konservativer, dass nach bin Ladens Tötung die langfristige Existenz des Gefangenenlagers von Guantánamo gefährdet sein könnte. Bei anderen Oppositionspolitikern ist das Lob für die "verbesserten Verhörmethoden" zugleich ein Versuch, dem früheren Präsidenten George W. Bush das Verdienst für das Ende von bin Laden zuzuschreiben. Besonders weit geht dabei Exvizepräsidentschaftskandidatin Sarah Palin. Sie hat es geschafft, den Namen von George W. Bush, nicht aber den von Obama bei ihrer Danksagung für die Tötung bin Ladens zu erwähnen.

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7 Kommentare

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  • D
    Demokratin

    Tja, es ist schon interessant wie sehr es einigen Lesern hier weh tut, dass Bin Laden den kuerzeren gezogen hat. Die erste Runde ging hier wohl eindeutig an die USA, denen es hoechst professionell gelungen ist, innerhalb von 40 Minuten den gefaehrlichsten Terroristen der Welt auszuschalten und dies auch noch in einem fremden Land.

     

    Ich bin froh, dass uns die USA vor diesen Verbrechern schuetzt. Wer einen Krieg erklaert und dies hat Bin Laden getan (USS Cole, 9/11, etc.), der muss auch damit rechnen, in diesem Krieg zu fallen. Genau dies ist hier passiert und wird mit Bin Ladens Nachfolger (Aiman el Sawahiri, Anwar al-Awlaki, Abu Jahja al-Libi) genauso passieren.

  • L
    Liam

    *sfz* Willkommen im Mittelalter.

    Nicht, das diese Erkenntnis neu wäre, immerhin existiert Guantanamo schon viel zu lange, aber ich finde es interessant, daß man nun im Land der unbegrenzten (Folter)Möglichkeiten plötzlich besorgt ist, daß die Tötung Osamas "die langfristige Existenz Guantanamos gefährden könnte".

    Wird sie nicht. Ob es nun Folter war, egal wie sehr man sie zu verniedlichen versucht, oder nicht, die zum Versteck des (Ironie an) Kopfes der Achse des Bösen (Ironie aus) geführt hat- da man nicht beweisen kann, daß sie es nicht war, bleibt der Freizeitpark für perverse Geisteskranke sicherlich in Betrieb und da es niemanden, der Macht und Einfluss hat, interessiert, was die von ihm beherrschten Leute sagen, außer Wahlen stehen bevor, wird man sich sicherlich noch eine Weile mukkieren, bevor man sich damit ebenso abfindet, wie mit Sonnenflecken und nächtlicher Dunkelheit.

    Das Schreckgespenst Terrorismus funktioniert und es zu beschwören, ist nicht weiter schwer. Immerhin haben sie nun, da die zunehmend peinlicher werdende Jagt nach Osama vorbei ist, einen Märtyrer erschaffen, dem man leicht einen oder auch dutzende Nachfolger da andichten kann, wo man als nächstes einfallen will.

    Und die Massen werden jubeln, weiter ihre Grundrechte und Menschenrechte generell veräußern, nur um sicher zu sein vor dem bösen Christen... hm Heiden... ach ne Kommunisten... ach verdammt, Terroristen!

    Die Taktik funktioniert und damit ist der Weg doch klar erkennbar. Die menschliche Rasse hat sich nie dem Ideal zu nähern versucht, sondern immer nur Brot, Spielen, Macht und Geld. Wenn das alles ist, was zählt, dann darf man schon mal über so Kleinigkeiten stehen, wie der lästigen Frage, ob die kleine Hinrichtung eines nützlichen Gegners, der anderen Falls möglicher Weise rücksichtslos an Altersschwäche verstorben wäre, ohne daß man ihn hätte aufspüren können, denn legal war, oder nicht.

    Und selbst wenn sie illegal war: Wer will denn wirklich was dagegen machen oder sagen? Da heißt es dann ein mal "Du, du, du", man stellt sich anstandshalber in die Ecke, mit dem Rücke zu Klasse und Lehrer- aber nicht, weil man sich schämt, sondern damit keiner sieht, daß man schon den nächsten Bockmist plant.

  • P
    paule

    Niemanden interessiert, was ihr denkt. Und ihr werdet nie politische Macht besitzen, zumindest so lange es freie Wahlen gibt.

  • S
    sieglinde

    Staatsterrorismus à la USA ist der Gipfel organisierter Gewaltkriminalität und darf nicht hingenommen werden.

    Die US-Regierung ist eine kriminelle Vereinigung, in dieser Legislatur bestehend aus Politikern der "demokratischen" Partei, für die Folter und Mord ganz normale Methoden zur Durchsetzung ihrer Interessen sind. Obama, Biden, Clinton und Co. müssen bei ihrem nächsten Besuch in der EU bzw. Deutschland festgenommen und vor Gericht gestellt werden. Wenn schon Terrorbekämpfung, dann nach beiden Seiten.

  • EH
    extralegale Hinrichtung

    Obama hat mittlerweile zugegeben, dass Osama Bin Laden unbewaffnet war und eiskalt erschossen wurde. Diese extralegale Hinrichtung ohne ordentliches Gerichtsverfahren ist üblich für Folterdiktaturen aber nicht für demokratische Rechtsstaaten. Auch Terroristen haben das Recht auf ein faires Verfahren in dem ihre Schuld bewiesen wird, um sie dann ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Wer für extralegale Tötungen ist, der verletzt nicht nur die Menschenrechte sondern ist auch für einen Zustand der Gesetzlosigkeit. Spezialeinheiten der Bundeswehr beteiligen sich in Afghanistan an dieser Tötungspraxis und auch deutsche Staatsbürger wurden schon durch Drohnenangriffe der US-Armee in Pakistan extralegal hingerichtet. Damit aber bewegen wir uns auf gefährlichen Terrain, weil es insgesamt die Basis unseres Rechtssystems in Frage stellt und möglicherweise gefährliche Präzedenzfälle für den Umgang mit Staatsbürgern im eigenen Land schafft.

  • V
    vic

    "Das entspricht nicht dem, was wir sind", sagte der US Präsident.

    Das glaube ich ihm sogar, denn "was sie sind" konnte man bereits oft genug auf Fotos betrachten.

    Zudem wage ich mir nicht vorzustellen, was die Helden der Elite-Einheit mit dem alten Bin Laden vor, während und nach seinem Tod alles angestellt haben - und auf Fotos festgehalten.

    Aber ich bin wirklich nicht sicher, ob das nicht alles wieder nur Volkstheater ist, weil`s dem Machterhalt dient, der Hardliners Blutdurst eine Zeitlang zu stillen.

  • O
    Omar

    Terror ist natürlich ein Vorwand um Erdölfluss sichern zu können, u. die dummen Menschen glauben immer noch daran.