Tödliches Spiel in Sri Lanka: 200.000 Flüchtlinge im Fadenkreuz
Sri Lankas tamilische Rebellen missbrauchen Zivilisten als Schutzschild und zwingen sie, zu bleiben. Die Armee versucht, sie auszuhungern und zur Flucht zu bewegen. Tausende sterben.
Es sind apokalyptische Szenen aus der Endphase eines der blutigsten Kriege, die Asien je gesehen hat: Die Rebellen der "Befreiungstiger von Tamil Eelam" (LTTE) halten nur noch knapp 40 Quadratkilometer im Nordosten Sri Lankas. Rund um die Uhr schlagen in dem gesamten Gebiet Artilleriegeschosse ein. Kampfflugzeuge bombardieren Stellungen und vermutete Bunker der Rebellen.
Die Regierung in Colombo trotzt internationalen Aufrufen nach einer Waffenruhe und nach Verhandlungen; die LTTE soll keine Zeit bekommen, sich neu zu gruppieren und baldmöglichst militärisch besiegt werden.
Dabei geraten die Flüchtlinge im Kampfgebiet immer häufiger zwischen die Fronten. Immer noch halten sich vor allem entlang der Küste geschätzt zwischen 70.000 und 200.000 tamilische Zivilisten verschanzt. Beobachter berichten, dass auch eine von der Regierung einseitig ausgerufene "Schutzzone" immer wieder massiv beschossen werde.
Tausende von Zivilisten sollen in den vergangenen Wochen ums Leben gekommen sein, berichten die Vereinten Nationen. "Allein letzte Woche sind hunderte Kinder bei den Kämpfen verletzt worden", erklärte Philippe Duamelle, Leiter von Unicef Sri Lanka. Sie erlitten Splitterwunden, Schussverletzungen, Verbrennungen und Knochenbrüche. Es fehle an Lebensmitteln und Medikamenten. Auch würden die Rebellen Kinder zwangsrekrutieren und in die Kämpfe schicken.
Beobachter machen beide Kriegsparteien für das massive Leiden der Zivilisten verantwortlich. Flüchtlinge aus der Region, die unter Lebensgefahr das Kampfgebiet verlassen haben, berichten, LTTE-Kämpfer hätten Zivilisten erschossen, die aus der Kampfzone fliehen wollten. Vermutlich bleiben etliche Zivilisten auch deshalb im LTTE-Gebiet, weil sie sich vor Repressalien durch Regierungssoldaten fürchten. Mehrfach schon haben Armeeangehörige Massaker an tamilischen Zivilisten verübt.
Würden alle Flüchtlinge das Kampfgebiet verlassen, könnte die Regierung mit voller militärischer Härte zuschlagen und die Rebellen vermutlich in kurzer Zeit niederringen. Daher unternimmt die Regierung nun alles, um die Zivilisten zur Flucht zu zwingen.
Sie hindert Hilfsorganisationen daran, Lebensmittel und Medikamente zu den Flüchtlingen zu bringen. Vor der eigenen Bevölkerung rechtfertigt Colombos Propagandaapparat dies mit Aufnahmen von Lebensmittelrationen aus Hilfslieferungen, die bei getöteten LTTE-Kadern gefunden worden sein sollen.
Auch der zeitweise massive Beschuss der Flüchtlinge im Kampfgebiet geht höchstwahrscheinlich auf das Konto der Regierungsarmee. Nicht umsonst hindert Colombo unabhängige Reporter daran, aus dem Kriegsgebiet zu berichten.
Dabei ist es nicht auszuschließen, dass auch die LTTE ihre eigenen Landsleute beschießt, damit das Ausland Colombo zu einer Waffenruhe und zu Verhandlungen zwingt.
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