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Todesfall Uwe BarschelNeue Spur nach 25 Jahren

An der Kleidung des früheren CDU-Ministerpräsidenten wurden jetzt fremde DNA-Rückstände gefunden. Möglicherweise werden die Ermittlung wieder aufgenommen.

Das Ende der Selbstmordtheorie? Bild: dpa

KIEL/HAMBURG dpa | Fast 25 Jahre nach dem mysteriösen Tod des CDU-Politikers Uwe Barschel in einem Genfer Hotelzimmer haben Spezialisten des Kieler Landeskriminalamts den genetischen Fingerabdruck eines Unbekannten entdeckt. Dies sagte der frühere schleswig-holsteinische CDU-Landtagsabgeordnete Werner Kalinka - er hatte die Untersuchung angeregt - am Samstag und bestätigte damit einen Bericht der Welt am Sonntag.

Danach haben die Ermittler DNA-Rückstände einer fremden Person an Kleidungsstücken sichergestellt, die der frühere Ministerpräsident von Schleswig-Holstein in der Nacht seines Todes im Genfer Hotel Beau Rivage trug. Kalinka forderte die Staatsanwaltschaft Lübeck auf, die bereits 1998 eingestellten Ermittlungen wieder aufzunehmen.

Diese hatte damals in ihrem Abschlussbericht erklärt, es gebe derzeit keine Perspektive für weitere Untersuchungen, könne aber jederzeit wieder ermitteln. Die Anklagebehörde war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Barschel war am 11. Oktober 1987 nach seinem durch einen politischen Skandal erzwungenen Rücktritt in dem Hotel tot in der Badewanne von Zimmer 317 gefunden worden. Ob es Mord oder Selbstmord war, konnte bis heute nicht geklärt werden.

CDU-Politiker fordert Neuaufnahme der Ermittlungen

Das genetische Material des Unbekannten ist dem Zeitungsbericht zufolge noch gut genug erhalten, um es mit möglichen Verdächtigen vergleichen zu können. Ein und dieselbe Person habe ihre Spuren auf der Strickjacke, den Socken und der Krawatte des Toten sowie auf dem Handtuch des Hotelzimmers hinterlassen.

Kalinka sagte dem Blatt, durch die Funde habe sich der Verdacht erhärtet, dass Barschel ermordet worden sei. „Die Staatsanwaltschaft Lübeck ist nun nachdrücklich aufgefordert, die Ermittlungen wieder aufzunehmen.“ In den vergangenen Jahrzehnten sei die Arbeit der Staatsanwaltschaft Lübeck „alles andere als ruhmvoll“ gewesen. „Es drängt sich geradezu die Frage auf, ob an bestimmten Ermittlungen kein oder nur wenig Interesse besteht.“

Noch im vergangenen Jahr hatte die Generalstaatsanwaltschaft nach einer Strafanzeige von Barschels Witwe Freya wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt die Kieler Anklagebehörde mit einer Untersuchung beauftragt. In der Anzeige gegen Unbekannt ging es um ein fremdes Haar aus Barschels Genfer Hotelbett, das bei der Staatsanwaltschaft Lübeck verschwunden war.

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5 Kommentare

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  • T
    tonikal

    Ich erinnere mich gut, dass zwei Stern-Reporter die ersten waren, die Barschels Leiche im Hotelzimmer gefunden und fotografiert haben. Ihr Foto ging damals um die Welt. Wie wäre es also mit der einfachsten und nächstliegenden Erklärung? Einer der Reporter hat Barschels Oberkörper etwas nach links gerückt, die Krawatte etwas nach rechts verschoben und sein Bein ein bisschen zur Seite geschoben, um ein besseres Foto machen zu können. Danach hat er sich die Hände am Handtuch abgetrocknet. Haben die LKA-Experten die DNA der beiden Stern-Reporter eingeholt und verglichen? Davbon ist seltsamerweise keine Rede. Warum nicht?

     

    @Barbara Schmidt: Ich habe 7 Menschen persönlich gekannt, die Selbstmord begangen haben. Aber ich kenne niemanden persönlich, der jemals in einen Mordfall verwickelt war. Ein Selbstmord ist - grob geschätzt - mindestens 1000 Mal wahrscheinlicher als ein Mord. Und nur wenige Menschen hatten so triftige Gründe zum Selbstmord wie Barschel 1987.

  • BS
    Brigitte Schmidt

    Wenn Ihre Frau ermordert worden wäre, verehrter Herr Cornelsen, aber die Behauptung aufgestellt worden wäre, sie hätte Selbstmord begangen. Die Ehre mit Füßen getreten worden wäre, Sie als junger Witwer mit zwei Kindern zurückgeblieben wären ohne die Möglichkeit Ihre verstorbene Frau zu rehabilitieren, würden Sie dann auch diese menschenwerachtenden Gedanken vortragen, wie sie es in ihrem Kommentar getan haben?

  • F
    Fahnder

    Sie haben Recht, es gibt viele ungelöste Fälle. Doch wenn mögliche neue Beweise auftauchen, dann MUSS die Polizei ermitteln. Erst Recht bei Verdacht auf Mord.

    Zweitens: Selbstverständlich liegt hier ein öffentliches Interesse vor. Sie erinnern sich: der Mann war Ministerpräsident und hat öffentliches Interesse dargestellt und verwaltet.

    Mord verjährt nicht, damit ist die Auftragslage klar.

    Bei den Naziverbrechen hat sich die deutsche Justiz zu lange Zeit gelassen. Das darf nicht noch einmal passieren. Täter dürfen sich niemals mehr sicher fühlen.

  • AF
    Arne Fellner

    Auch Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, der erfolgreich Adolf Eichmann jagte, wurde 1968 in seiner Badewanne verstorben, nachdem er Ermittlungsverfahren gg hohe hessische Juristen anstrebte, die als Justizjuristen Straftaten in deren NS-Vergangenheit begingen. Siehe auch www.dirtycop.de

  • PC
    Paul Cornelsen

    Ist schon bemerkenswert, mit welcher Inbrunst Steuergelder verprasst werden um den Todesfall eines Einzelnen aufzuklären. In Deutschland gibt es viele ungeklärte Fälle, die vergessen in irgend einem Archiv lagern. Auch deren Angehörige hätten gerne eine Auflösung. Tja, die haben den Nachteil daß es keine Politiker waren.

    Wo ist das allgemeine Interesse am Fall Bartschel, der diesen Aufwand - oh, genau 25 Jahre später - rechtfertigt? Das ist doch ein Kriterium, einen Fall einzustgellen, oder. Und ich rede vom allgemeinen Interesse und nicht dem speziellen Interesse der Medien.

     

    Also, wenn die Witwe ein Interesse hat, dann soll sie die weitere Aufklärung selbst finanzieren, werden sich sicher einige Verlage finden, die ihr dabei finanziell unter die Arme greifen.

     

    Ansonsten muß es ein Ende haben, daß die Gelder der Steuerzahler für eine Sonderbehandlung verprasst werden.

     

    Auch das deutsche Rechtssystem hat eine deutliche Grauzone und dieses Manko müssen eben alle tragen.