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Tod von Craig Ewert im TV übertragen"Suizid ist ansteckend"

Ein englischer TV-Sender hat am Donnerstag eine Dokumentation über den Selbstmord von Craig Ewerts ausgestrahlt. Darüber entbrennt jetzt ein heftiger Streit, auch in Deutschland.

Hatte mit dem Leben abgeschlossen: Undatiertes Foto des verstorbenen Craig Ewerts. Bild: ap

Derzeit kocht die Stimmung im Vereinigten Königreich. Auslöser ist eine Dokumentation mit dem Titel "Right to die", das Recht zu sterben. Der Film von Regisseur John Zaritzky wurde bereits 2007 unter dem Titel "The suicide tourist" veröffentlicht. Jetzt hat der britische Fernsehsender Sky Real Lives die Dokumentation ausgestrahlt und damit erstmals den realen Tod eines Menschen einem breiten Fernsehpublikum vorgeführt.

Die Reaktionen könnten unterschiedlicher nicht sein. Der Verband "Care Not Killing", eine Organisation zur Unterstützung und Verbesserung palliativer Pflege, nannte die Ausstrahlung einen "zynischen Versuch, die Einschaltquoten in die Höhe zu treiben." Der Sender sowie der Regisseur verteidigen den Film. Sky Television sagte gegenüber BBCNews, die Dokumentation liefere einen "aufklärenden Einblick in die Entscheidungen, die einige Menschen treffen müssen". Doch worum geht es eigentlich?

Die Dokumentation begleitet den todkranken Craig Ewerts von England nach Zürich. Der ehemalige Universitätsprofessor leidet an spinaler Muskelatrophie, ein Muskelschwund, der durch die fortschreitende Zerstörung von motorischen Nervenzellen entsteht. Dadurch ist er gelähmt und bei allem, was er tun will, auf fremde Hilfe angewiesen. Er weiß, dass er sterben muss und das dies für ihn und seine Familie ein langer Leidensweg wird. Deshalb hat er sich dazu entschlossen, die Hilfe der umstrittenen Schweizer Sterbehilfe-Organisation Dignitas in Anspruch zu nehmen.

Zu diesem Zeitpunkt hat sich der Verlauf seiner Krankheit beschleunigt. Der damals 59-Jährige fährt im September 2006 mit seiner Frau Mary in eine Klinik in der Schweiz. Hier ist die Sterbehilfe erlaubt. Um den Tod herbeizuführen, verwendet man ein so genanntes Barbiturat, das sonst nur noch zum Einschläfern von Tieren benutzt wird. Es wird in Leitungswasser aufgelöst und dann getrunken, innerhalb einer Minute schläft der Patient ein und fällt nach etwa zehn Minuten in ein Koma. Nach einiger Zeit setzt dann die Atemtätigkeit aus und der Tod tritt ein.

In Deutschland ist Dignitas längst bekannt, vor allem in Baden-Württemberg, an der Grenze zur Schweiz. Auch hier ist die Organisation umstritten. In der Vergangenheit hat Dignitas immer wieder durch medienwirksame Aktionen Aufmerksamkeit erregt und sich dem Vorwurf ausgesetzt, Werbung für Sterbehilfe zu betreiben und sich weniger für würdiges Sterben, als vielmehr für das lukrative Geschäft mit dem Tod zu interessieren. Im November 2007 entbrannte ein Streit in den deutschen Medien über das Für und Wider des begleiteten Selbstmords. Dignitas hatte damals zwei Deutschen geholfen, sich auf einem Parkplatz in der Schweiz das Leben zu nehmen.

Der Fall Craig Ewerts erregt jetzt auch bei uns die Gemüter. Schließlich geht es diesmal nicht um die Frage: Sterbehilfe, ja oder nein? Es geht darum, ob man den Freitod eines Menschen im Fernsehen zeigen darf. Die Pressestelle der deutschen Ärzteschaft gab augenblicklich eine Meldung heraus, in der sie die Fernsehübertragung scharf verurteilt. "Wenn das Sterben öffentlich inszeniert wird, verliert der Sterbende seine Würde. Auch eine TV-Dokumentation muss da ihre Grenzen finden, wo die Individualität des Sterbens beginnt", so Ärztepräsident Hoppe.

Die Deutsche Hospiz Stiftung sprach von einer "verwerflichen Inszenierung". "Suizid ist ansteckend, Berichte darüber lösen wieder neue Suizide aus", warnte Eugen Brysch, Geschäftsführender Vorstand der Stiftung. Er kritisierte Dignitas heftig und warf ihnen vor, man sei dort nicht qualifiziert, professionelle Sterbebegleitung zu leisten. Der Film sei "eine brandgefährliche Werbung für einen Verein, der mit stümperhaften Mitteln seine zynischen Ziele verfolgt", erklärte Brysch.

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7 Kommentare

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  • MH
    Müller Herbert

    Wer verliert seine Würde,ich bin Altenpfleger und weis wie traurig und einsam Menschen sterben,warum regt sich die Ärzteschaft hier auf,geschweige vom Sterben in Krankenhäusern.Der Sterbende wollte doch,daß das Sterben gezeigt wird,es hatte doch einen tiefen Sinn.Diejenigen die sich jetzt aufregen,gehen demnächst zur Plastinatorausstellung,ausgestellt mit armen Schweinen,als wenn die Anatomische Station im KH nicht genügen würde,manche erfreuen sich am Anblick eines Namenlosen,das finde ich viel schlimmer,aber so ist die Welt,meist die falschen Luftblasen,ohne wirkliches praktisches Tun.

  • YP
    Yvonne Paul

    Dem geliebten, todkranken Haustier wird fraglos geholfen, unnötiges und qualvolles Leiden zu beenden - dem Menschen sollte gleiches Recht ermöglicht werden.

    Der Tod ist leider immer noch ein großes Tabuthema in unseren Köpfen - Freitod: Undenkbar!John Zaritskys Dokumentation könnte dazu beitragen, dem Recht zu sterben eine Daseinsberechtigung zu verschaffen.

  • EM
    Ein Mensch

    Unter Medizinern ist die Suizidrate bekanntlich um einiges höher als im Rest der Bevölkerung. Und natürlich setzen jene Mediziner dabei gerne mal ihr Fachwissen und ihren Zugang zu entsprechenden Mitteln ein.

     

    Irgendwie tragikomisch, wenn jetzt anscheinend Empörung seitens der Mediziner herrscht, wenn es um Mittel und Wege zum Suizid bei Nicht-Medizinern geht.

     

    Und Suizidberichte können ansteckend sein, in der Tat. Musik ebenso (bei wievielen Suiziden war wohl Nirvana der allerletzte Auslöser?). Was nun?

     

    Am besten uns Bevölkerung in Watte packen und von allem fernhalten, denn "wir" sind ja offenbar für manche nur unmündige Deppen, nicht in der Lage zu einer aufgeklärten Diskussion und zu einer freien Entscheidung über unser Leben. Oder wie?

  • A
    anke

    Dass er "eine brandgefährliche Werbung" für den Selbstmord sei, hat man schon Goethes Werther vorgeworfen - und ich möchte wetten, auch die ollen Griechen hatten so ihre Probleme mit der darstellenden Kunst und ihren Folgen...

     

    Wenn die Deutsche Hospiz Stiftung sich über die Ausstrahlung einer Sendung erregt, muss das nicht unbedingt an ihrer Liebe zum Leben an sich oder an ihrer Menschenfreundlichkeit liegen. Genau so wenig, wie es an der Menschenliebe von Dignitas liegen muss, wenn sie Schwerstbehinderten beim Sterben hilft. Was mich stutzig macht ist vor allem der Umstand, dass sich sowohl die einen als auch die anderen ausschließlich mit den Umständen des Tod gemeinsamer Klienten zu beschäftigen scheinen: Lediglich unselbständige Todkranke werden mit Aufmerksamkeit bedacht. Leute, die sich ohne Hilfe erhängen, vergiften, erschießen oder die Pulsadern öffnen, sind offenbar beiden vollkommen egal.

  • BK
    Barbara Kirsch

    1. Wenn ein Mensch sterben möchte und in vollem Bewußtsein der filmischen Dokumentation seines Todes zustimmt, weiß ich nicht, warum der Film nicht gezeigt werden soll. Dadurch wird vielleicht dem einen oder anderen (auch gesunden) Menschen die irrationale Angst vor dem Sterben genommen oder zumindest gelindert. Sterben ist nichts geheimnisvolles. Es passiert jeden Tag, ob man will oder nicht. Ein friedliches Dahinscheiden dürfte wohl der Wunsch der meisten Menschen sein. So etwas, wenn auch nur im Film, miterleben zu dürfen, hat etwas Tröstliches.

     

    2. Auf welche Art und Weise ein Mensch dahinscheidet, sollte ihm weitestmöglich selbst überlassen sein. Da hat (bis auf Krankheit und Tod) niemand das Recht sich einzumischen. Wenn der Mensch um Hilfe bittet, soll sie ihm gewährt werden. Wer also palliativ begleitet werden möchte, soll diese Hilfe erhalten. Wer einfach sterben möchte, hat das Recht auf einen schmerzfreien Tod. Solange es keine anderen Möglichkeiten gibt heißt das also: Dignitas sei Dank! (Deren vermutlich nicht unbedingt rein humanitäre Gründe sind mir durchaus bewußt.)

     

    3. Selbstmord ist ansteckend? Naja. Daraus spricht wohl mehr die Angst, daß sich Menschen dem Zugriff wohlmeinender Helfer entziehen könnten. Ist aber nunmal so, daß nicht jeder als Versuchskaninchen enden möchte. Für Experimente, wie lange ein sterbenskranker Mensch welche Behandlung aushält, bis er endlich das Leben aushaucht, ist es natürlich ärgerlich um jeden Selbstmord...

  • M
    Maximilian

    Ich habe den Film auf den Filmfest in Reykjavík gesehen, wo ich im Anschluß Gelegenheit hatte den Regisseur, John Zaritsky, zu fragen, warum er das Sterben zeigt. Zum einen sei Craig Ewerts sein ganzes Leben ein politischer Aktivist gewesen, er habe sich unter anderem mit seiner Frau für Rechte von Schwulen und Lesben eingesetzt. Die Teilnahme an diesem Film sei für ihn ein letzter Akt dieses Aktivismus gewesen, der seinem Leiden auch einen Sinn gegeben habe. Zweitens ginge es ihm darum, den Tod als das zu zeigen was er ist: ein natürlicher Teil dessen, was heißt ein Mensch zu sein. Und kein tabuisierter, aus Scham wegsperrter Abgang.

    Durch meinen eigenen Schreck beim Anschauen des Films fühle ich mich wie ertappt und muss dem Regisseur bei seiner Einschätzung Recht geben.

  • MA
    Michael AC

    Ich finde es eher bedenklich, dass die deutsche Ärzteschaft auf die Würde eines Sterbenden verweist, zu Lebzeiten allerdings die 2-Klassenmedizin praktiziert und die Würde eines (noch und hoffentlich lange) lebenden Kranken an seiner Brieftasche bemisst.

     

    Jungs und Mädels des hippokratischen Eides: Ertragt doch einfach mannhaft, dass Euch mit jedem Freitod auf Grund unheilbarer Krankheit und starker Schmerzen ein paar Euros durch die Lappen gehen!

     

    Ich nenne so etwas bigott...