Haste was, biste was: Tod am Arbeitsplatz
■ Tagung untersuchte Arbeitssucht in verschiedenen Kulturen
Unternehmen haben mit Arbeitssucht kein Problem. „Manager zählen zu der Gruppe, die am stärksten gefährdet sind, arbeitssüchtig zu werden“, erklärt Prof. Holger Heide. Aber: „Kranken- und Rentenversicherung zahlen den Großteil der durch Arbeitssucht entstandenen Kosten.“ Betriebe kümmern sich daher nicht um das Problem Arbeitssucht, – so stellten es die internationalen Gäste dar, die der Bremer Ökonomie-Professor Holger Heide zu einem Workshop an der Uni Bremen eingeladen hatte.
Unter dem Motto „Arbeitssucht in der Arbeitsgesellschaft“ haben die Wissenschaftler ihre Forschungsergebnisse zusammengetragen und mit rund 50 weiteren TeilnehmerInnen diskutiert. Indizien für Arbeitssucht seien das Anlegen von Arbeitsvorräten oder die Tendenz, angefangene Arbeiten nicht abzuschließen, erläutert Holger Heide. Wenn der Kranke an einen Punkt kommt, wo er feststellen muss, seine Arbeit nicht zu schaffen und überfordert zu sein. Diese Erkenntnis führt bei Arbeitssüchtigen dazu, das er übermäßige Arbeit nicht ablehnt, im Gegenteil: Mit Drogen oder mit noch mehr Arbeit überdeckt der Süchtige seine schmerzhafte Erkenntnis.
Effekt: Die Sucht verstärkt sich mit zunehmender Dauer. Ermöglicht wird dies erst dadurch, dass das Umfeld eines Süchtigen die Sucht mitträgt und mitermöglicht. Menschen im Umfeld zulassen, dass der Süchtige durch sein Verhalten Bedürfnisse stört, Probleme bereitet. dies zulässt statt sich zu wehren. Wie bei Alkoholkranken steht am Anfang eines Ausstiegs die Erkenntnis der Ohnmacht gegenüber der Sucht, weiß Roderich Wahsner aus eigener Erfahrung zu berichten. Mittlerweile habe er gelernt, dass die Persönlichkeit wichtig sei, – „ungeachtet meiner Leistung oder was ich habe“.
Anders als in Deutschland ist in Japan der Tod am Arbeitsplatz seit den 80-er Jahren als großes Problem erkannt und mit eigenen Begriff versehen werden: Karoushi bezeichnet den Tod durch Überarbeitung in Form von Hirn- oder Herzinfarkt oder Selbstmord aufgrund von Depressionen. Bislang sind 30.000 Fälle anerkannt, hunderttausende werden vermutet. Erst 3.000 Hinterbliebene wurden bislang entschädigt, kürzlich erhielten erstmals Angehörige eines Arbeiters bei Denzo und Kawasaki Schmerzensgeld in Millionenhöhe, referierte Oliver Tieste, Arbeitsrechtler aus Bremen. In Europa ist Arbeitssucht nicht als Berufskrankheit anerkannt. Klaus Lübeck
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen