Tobias Schulze über den Abschlussbericht des Edathy-Ausschusses: Transparenz statt Antworten
Stellen wir uns einmal vor, die Fußball-Bundesliga verzichtete ab sofort auf Schiedsrichter: Schon wenn morgen Borussia Dortmund in Mainz antritt, bleibt das Schiri-Gespann daheim. Wenn dann ein Dortmunder im gegnerischen Strafraum fällt, vielleicht in der 92. Minute beim Stand von 0:0, unterbrechen die Mannschaften erst einmal das Spiel, um im Mittelkreis das weitere Vorgehen auszudiskutieren.
Ein merkwürdiges Verfahren wäre das, fast so merkwürdig wie die Untersuchungsausschüsse des Bundestags. Die Gremien sollen politische Skandale aufklären, doch statt unparteiischer Dritter sitzen dort Vertreter der Fraktionen. In die jeweiligen Affären sind sie direkt oder indirekt immer involviert. Dass echte Aufklärung so unmöglich ist, belegt der Abschlussbericht des Edathy-Ausschusses.
In einer der zentralen Fragen (Hat der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann seinen Kollegen Edathy vor drohenden Ermittlungen gewarnt?) kommt das Gremium zu keiner klaren Antwort: Die Sozialdemokraten wollen nicht gegen eigene Leute schießen und nehmen ihren Genossen Hartmann in Schutz. Die Union will den Koalitionsfrieden nicht gefährden und schließt sich an. Die Opposition ist Opposition und betrachtet den Koalitionsabgeordneten Hartmann schon deshalb als überführt. Keine der Fraktionen wirft für ihr Votum einen rein objektiven Blick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme, wie es ein Staatsanwalt tun würde.
Ein komisches Spiel. Einzig eine Eigenschaft bewahrt den U-Ausschüssen ihre Existenzberechtigung: die Transparenz. Die Öffentlichkeit hat freien Zugang zu den Zeugenvernehmungen. Warum der Edathy-Ausschuss scheiterte, ist daher offensichtlich: SPD-Mann Hartmann könnte die Affäre aufklären, entzog sich dem Ausschuss aber, sobald er selbst unter Druck geriet. Eine Antwort auf die Untersuchungsfrage lieferte er damit nicht. Eine interessante Erkenntnis für Wähler der SPD dagegen schon.
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