: Tito-Veteranen gegen Serben
■ Albanische Professoren klagen offene Provokation der serbischen Führung an
Belgrad (dpa/taz) - In dem seit Wochen unentschiedenen Streit um mehr Einfluß für die größte jugoslawische Republik Serbien im Vielvölkerstaat hat diese Republik eine Niederlage hinnehmen müssen: Das Präsidium des einflußreichen Partisanenverbandes hat gestern die Frage der Abberufung des Vorsitzenden Petar Matic von der Tagesordnung abgesetzt und damit verschoben. Matic, der die Provinz Vojvodina vertritt, hatte sich in scharfer Form gegen den serbischen Parteichef Slobodan Milosevic ausgesprochen, der eine nationalistische Kampagne gegen die beiden Provinzen Vojvodina und Kosovo führe.
Am gleichen Tag berichteten die Zeitungen, daß die für Samstag geplante serbische Massendemonstration in der Stadt Jajce nicht stattfinden werde. Die Politiker der Republik Bosnien-Herzegowina hatten sich gegen die von der serbischen Parteiführung unterstützten Massenproteste ausgesprochen.
Albanische Professoren an der Universität der Provinzhauptstadt Pristina erklärten gestern gegenüber der taz, die albanische Minderheit in Jugoslawien fühle sich wieder an Vorkriegszeiten erinnert, als sie unter serbischen Königen verfolgt, ausgesiedelt und ermordet wurde. Überall im zu drei Vierteln albanisch und 18 Prozent serbisch besiedelten Kosovo träten in den letzten Tagen staatliche Provokateure offen auf und „hinterlegten“ in Kneipen und auf dem Campus der Universität Flugschriften, in denen der Anschluß an das stalinistische „Mutterland“ Albanien gefordert wird, das nur mit „Waffengewalt zu erreichen“ sei, da der „serbische Chauvinismus und Hegemonismus unaufhaltsam im Vormarsch“ sei. Die Bevölkerung erkenne aber, daß dies eine geschürte Provokation sei, erklären die Hochschullehrer, die aus Angst vor Repressionen ungenannt bleiben wollen. Ein Zeichen dafür seien polizeiliche Straßensperren, die auf den Überlandstraßen seit Montag errichtet wurden. Wer von einer Stadt in eine andere innerhalb der Provinz reisen wolle, müsse sich ausweisen. In Zügen würden Reisenden zur Einschüchterung sogar das Gepäck durchsucht.
Auf der anderen Seite kam es zuletzt wieder am Dienstag abend in der Provinzstadt Titovo Mitrovica zu einer Massendemonstration von 10.000 Serben, die zu offener Gewalt gegen ihre albanischen Mitbürger aufforderten, da diese Viehschlächter, Brunnenvergifter und Frauenschänder seien. Wie Radio Pristina gestern früh meldete, skandierte die Menge: „Nieder mit den Vergewaltigern unserer Kinder und Mütter“, „Kosovo ist serbisch“ und „Nieder mit Azem Vllasi und Bosko Krunic“ - zwei populäre Politiker, die der albanischen Volksgruppe angehören. Der taz wurde mitgeteilt, daß auch militantere Parolen gebrüllt wurden wie „Albaner raus aus Jugoslawien“ und „Gebt uns Waffen“.
Roland Hofwiler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen