Titelverteidiger Japan bei der Fußball-WM: Geheimnisvolles Wechselspiel

Bislang kann sich noch niemand so recht einen Reim auf die Stärke der Japanerinnen machen. Zumal Nationaltrainer Sasaki munter durchrotiert.

Yuika Sugasawa im Duell gegen Kameruns Augustine Ejangue Foto: dpa

WINNIPEG taz | Im Central Park von Downtown Winnipeg betet am Sonntagvormittag die Truth Tabernacle Church ihr Halleluja, ein paar Meter weiter macht die „Pride of the Prairies“ ihre Demo durch die Grünanlagen, vorbei an einem Fußballfeld, auf dem Kleinkinder mit ihren Eltern kicken. Eine kleine Gruppe Japaner guckt sich diesen Clash of Culture vom Zaun aus an. Sie sind Fußballfans und warten auf ihren Bus, der sie zum Investors Group Field Stadium bringt.

„Eigentlich fehlt nur noch eine Gruppe, die hier Yoga macht, dann fühlen wir uns wie zu Hause“, lacht Megumi aus Tokio. Sie ist eine der japanischen Fans, die dem Team Tausende Kilometer durch Kanada hinterherreisen. Im Investors Goup Field, am südwestlichen Rand der Stadt, wird am frühen Abend Japan trainieren. Megumi und die anderen hoffen, dass die Spielerinnen dort an den Zaun kommen und ein paar Worte mit ihnen sprechen.

Ohne großes Aufsehen hatte der amtierende Weltmeister als erstes Team der WM das Achtelfinale erreicht. Die spektakuläreren Auftritte in Gruppe C hatten vor allem die unerwartet starken Schweizerinnen, die gegen Ecuador 10:1 gewannen. Die Schweiz hatte Japan in seinem ersten Spiel zwar mit dem 1:0 durch Aya Miyama besiegt. Leicht hätte es aber auch anders ausgehen können.

Gegen Kamerun hatten dann Aya Sameshima and Yuika Sugasawa nach 17 Minuten den Einzug in die K.-o.-Runde besiegelt. Das Besondere an diesem Spiel: Der 36-jährige Superstar, Rekordspielerin und Rekordschützin Homare Sawa, saß auf der Bank. Die beiden Torschützinnen hatten dort das erste Spiel gegen die Schweiz verbracht. Coach Norio Sasaki wechselte im zweiten Auftritt fünf Spielerinnen aus, die gegen die Schweiz auf der Bank saßen, darunter sogar die Torhüterin Ayumi Kaihori. Ziemlich ungewöhnlich für ein Turnier.

Wer sich in Sachen Frauenfußball und Fifa nicht hinters Licht führen lassen will, sollte vom 6. Juni bis zum 5. Juli 2015 unbedingt die taz lesen. Wir berichten täglich auf ein bis zwei Seiten nicht nur übers Geschehen auf dem Platz, sondern auch über Hintergründiges, Politisches, Schrilles und Schräges.

Gerade wegen des aktuellen Fifa-Skandals wollen wir genau auf diese WM schauen. Vor Ort macht das taz-Redakteurin Doris Akrap, in Berlin kümmern sich Johannes Kopp (Sportredakteur), Martin Krauss (Pauschalist), Ronny Müller (Volontär), Richard Noebel (Layout), Sebastian Raviol (Praktikant), Andreas Rüttenauer (Chefredakteur) und Markus Völker (Sportredakteur) um die Fußball-WM.

Homare Sawa, die schon beim Algarve-Cup keine gute Figur abgab, ist das große Rätsel. Die 1,61 Meter kleine Spielerin ist schon seit einiger Zeit nicht mehr zwingend in der ersten Aufstellung der Nadeshiko. Vom Trainer war sie vor ihrer sechsten WM in Kanada trotzdem zur „Leitfigur auf und neben dem Feld“ erklärt worden. „Sie erfreut sich bester Gesundheit und ist voller Energie“, sagt Sasaki. Ob sie im letzten Gruppenspiel gegen Ecuador spielen wird? „Das hängt vom Training ab.“ Das Einzige, was sich Sasaki über das Spiel gegen Ecuador entlocken lässt, ist, dass wahrscheinlich nun auch die dritte Torhüterin, Miho Fukumoto, im Tor stehen würde.

Vor der WM hatte Sasaki große Erwartungen geschürt. „Das Team in Kanada ist besser als das, das 2011 gewonnen hat.“ Erste Zweifel an dieser Einschätzung zerstreut Sasaki. Die Einwechslungen habe er nicht aus Verzweiflung vorgenommen. „Wer spielt, entscheidet das Training am Vortag“, sagt er. „Wer dort den besten Eindruck macht, kommt aufs Feld.“

Ob Sasaki flunkert? Ob alles nur ein Test ist oder ob er unzufrieden ist mit der Leistung von Sawa & Co., ist schwer zu sagen. Er lässt sich nicht in die Karten gucken. Schon beim Algarve-Cup hatte er alle Spielerinnen zum Testen aufs Feld geschickt.

Die Auftritte der Japanerinnen in Kanada sind aber alles andere als unsouverän. Ihre technischen Fertigkeiten, ihr akkurates Kurzpassspiel, mit dem sie bei der WM in Deutschland so erfolgreich waren, ist weiterhin beeindruckend. Ein bisschen müde, nicht so quirlig wirken sie. Und eine Schwachstelle gibt es: das Toremachen. Wie die Deutschen ließen die Japanerinnen etliche Chancen ungenutzt. „An der Offensive müssen wir arbeiten“, gibt Sasaki zu, und auch die Wolfsburger Stürmerin Yuki Ogimi wird leise, wenn man sie darauf anspricht. Die zweitbeste Schützin der Nadeshiko hat bisher kein Tor geschossen. „Ich habe einige Fehler gemacht. Das will ich wiedergutmachen.“

Vielleicht liegt es am Druck, der auf dem Weltmeister liegt? Sasaki gibt zu, dass das Team nicht ganz so locker ist, wie er sich das wünscht. „Aber ich halte das nicht nur für einen Nachteil. Unserem Spiel kann diese Anspannung gut tun.“

Vor dem letzten Gruppenspiel zieht Sasaki die gleiche Bilanz wie viele andere erfahrene Trainer bei dieser WM: „Jedes große Team kann gegen ein unerfahrenes verlieren.“ Und dann schränkt er seine großen Vor-WM-Töne ein: Sein Team sei gut, aber die anderen Teams eben auch besser geworden.

Megumi hat an diesem Sonntag Pech. Vor den verschlossenen Toren des Stadions steht sie über fünf Stunden, ohne dass eine der Spielerinnen an den Zaun kommt. „Nicht schlimm“, sagt sie. „Mir reicht es, wenn die Spielerinnen am Dienstag mit einem Lächeln vom Platz gehen.“

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