Tischtennis-WM in Afrika: Fern vom Lehrbuch

Die Tischtennis-WM in Südafrika ist eine Besonderheit für den Kontinent. Die Karriere des Nigerianers Quadri Aruna zeigt, was möglich ist.

Quadri Aruna beim Aufschlag

Spektakulär und unorthodox: Quadri Aruna vermag das Publikum zu begeistern Foto: xinhua/imago

Nach 84 Jahren Pause gastiert die Tischtennis-WM zum zweiten Mal in Afrika. Bei der Titelvergabe im südafrikanischen Durban werden afrikanische Spieler keine Rolle bei der Titelvergabe spielen. Doch Bundestrainer Jörg Roßkopf und sein Schützling, Einzel-Europameister Dang Qiu, bewundern die Leistung eines Akteurs aus Nigeria: Quadri Aruna. Der 34-Jährige aus Oyo wirkt an der Platte eher grobmotorisch. Ungestüm wie ein wilder Stier schlägt und schuftet der Nigerianer hinter der Platte – und gibt nie auf. Seine zwei Spitznamen lauten daher Rocky Aruna und Quadri Balboa in Anlehnung an die legendären Boxer-Filme mit Sylvester Stallone.

„Keiner kann so körperlich spielen und sich so verbiegen wie Aruna. Ich würde mir dabei die Schulter brechen“, scherzt Qiu und nennt ihn „ein Ausnahmetalent“. Der Düsseldorfer steht aktuell auf Weltranglistenplatz zehn. Aruna hat diesen als bisher einziger Afrikaner in den Top Ten eingenommen und liegt zwei Plätze hinter dem besten Deutschen. „Zuschauer und wir Spieler sind begeistert von ihm“, bekennt Qiu.

Der spektakuläre Stil des mehrfachen Afrika-Meisters belegt jedoch die Probleme, die der Tischtennissport auf dem Kontinent hat: „Aruna hat Tischtennis nie richtig gelernt“, urteilt Qiu mit Blick auf die unorthodoxe Spielweise, „hat aber dafür das Maximale herausgeholt!“ „Das ist Learning by doing“, sagt Roßkopf zu den Aktionen fern „des Lehrbuchs“.

Der Doppel-Weltmeister hat die Entwicklung des unorthodoxesten Spielers der Weltelite schon „lange verfolgt“, weil ihn auch seine Hausmarke Joola sponserte. Die deutsche Tischtennis-Firma hatte rasch den Werbewert des Kämpfers erkannt. Roßkopf weiß: „Aruna war viele Jahre ohne Trainer und Physiotherapeut unterwegs. Er musste sich alles selbst zurechtfriemeln, wann und wo er trainiert und spielt. Jahrelang zog er durch den Tischtennis-Zirkus und war eine One-Man-Show.“

Trainingsgruppe in Portugal

Im gesetzteren Tischtennis-Alter fand der Angreifer nach seinem geplatzten Wechsel von Bundesligist TTC Rhönsprudel Fulda-Maberzell zum russischen Topklub Fakel Orenburg in Portugal eine Trainingsgruppe und lebt dort, berichtet Roßkopf und preist Aruna: „Das ist schon echt stark, wie gut er trotzdem geworden ist!“

Nicht nur in Nigeria fehlt es an ausgebildeten Trainern. Die Kinder begeistern sich durchaus für den schnellen Ballsport – wenn sie denn wie in Namibia dank einer Kooperation mit dem Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) mehr als Materialpakete bekommen. Kongo, Kenia, Dschibuti und die Elfenbeinküste profitieren auch von deutschen Projekten.

Der einzige Verband, der mit der Infrastruktur der großen Tischtennis-Nationen halbwegs mithalten kann, ist der ägyptische. Das mag auch daran liegen, dass 1939 die erste Tischtennis-WM auf afrikanischem Boden in Kairo stattfand. Die Ägypter haben ein Abonnement auf die Afrika-Meisterschaften, funken nicht Nigeria und Aruna dazwischen. Omar Assar ist der einzige gesetzte afrikanische Spieler neben dem 34-Jährigen. Die Nummer 29 der WM-Setzliste ging zeitig ins Ausland und steht derzeit beim TTC Schwalbe Bergneustadt unter Vertrag. Den 31-jährigen Ägypter bezeichnen Roßkopf und Qiu als weiteren „hervorragenden Spieler“. Er hatte jedoch zum Auftakt Mühe, einen 1:3-Satzrückstand noch zum 4:3 gegen den Ecuadorianer Alberto Mino zu drehen.

Dass er aber in Durban nächsten Sonntag im Finale steht, ist unvorstellbar. In der Runde der letzten 32 dürfte Vizeweltmeister Truls Möregardh (Schweden) warten. Das erneute Viertelfinale, das Aruna 2021 bei der letzten Einzel-WM als erster Afrikaner erreichte, wäre ein riesiger Erfolg.

Bei den Frauen ist die Ägypterin Dina Meshref als 21. so gesetzt, dass in der dritten Runde das Aus gegen Olympia-Siegerin Chen Meng (China) droht. Sollte ihre Landsfrau Hana Goda in der zweiten Runde die Berlinerin Nina Mittelham ausschalten, dürfte sie gegen die Chinesin Wang Manyu scheitern. Langfristig traut Dang Qiu der jüngsten Afrika-Meisterin mehr zu: „Goda ist sehr vielversprechend“, meint der Europameister, denn die 15-Jährige „ist schon früh ins Ausland“, um ihr Spiel zu verfeinern.

Dass die Gastgeber der WM ihren Stempel aufdrücken, scheint ausgeschlossen. „Für die südafrikanischen Starter käme jeder Sieg einer kleinen Sensation gleich“, prognostizierte das Fachmagazin Tischtennis. Die stärkste Südafrikanerin, Danisha Patel, und der stärkste Südafrikaner, Theo Cogill, stehen auf den Weltranglistenpositionen 179 und 191.

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