: Tisch vor Gericht
■ Ab morgen muß sich der Ex-FDGB-Boß wegen Untreue und Vertrauensmißbrauch vor Gericht verantworten
Berlin (afp) — Als erster Spitzenfunktionär der früheren DDR muß sich der langjährige Chef des Freien Deutschen Gewerkschaftsbunds (FDGB), Harry Tisch, vor Gericht verantworten. Am Dienstag beginnt vor der 19. Großen Strafkammer des Landgerichts Berlin der Prozeß gegen den 63jährigen, dem die Staatsanwälte Vertrauensmißbrauch und Untreue vorwerfen.
Tisch soll, so lautet die Anklage, den einst mächtigen und reichen FDGB um mehr als 104 Millionen D-Mark geprellt haben. Seine Anwälte freilich sehen in dem Verfahren eine „politische Abrechnung mit Hilfe des Strafgesetzbuches“: Die fraglichen Gelder seien nicht zweckentfremdet, sondern lediglich zwischen verschiedenen DDR-Töpfen „umverteilt“ worden.
Harry Tisch sitzt seit dem 20. Juli vergangenen Jahres in der Haftanstalt Plötzensee im Westteil Berlins. Die westliche Justiz aber hat selbst überhaupt nicht gegen ihn ermittelt: Die Anklage stammt noch von der Generalstaatsanwaltschaft der DDR. Allein weil die Sache Tisch am Vereinigungstag Anfang Oktober bereits gerichtsanhängig war, kann nun die juristische Aufarbeitung der DDR-Geschichte beginnen. Justizsprecherin Jutta Burghart vermag nicht zu sagen, „ob das Verfahren auch vor einem Westgericht eröffnet worden wäre“.
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