theater : Tirade gegen die eigene Biederkeit
Manchmal geht‘s auch ganz einfach: Etwa wenn der Aufführungsort als Bühnenbild dient. Bei „Sieben Monde“ ist dies, wie bei den anderen Uraufführungen des Freiluft-Theater-Festivals „Ferienlager 04“, das Dach des Crowne Plaza Hotels. Ein Diaprojektor zeigt alte Familienfotos, über eine Soundanlage werden instrumentale Songfragmente eingeblendet und die einzige Darstellerin trägt ein Bärenfellkostüm. Damit wären die Ausstattungselemente auch schon aufgezählt. Viel Zeit für die Entwicklung inszenatorischer Kniffe hatten die Macher von „Drama Köln“ ohnehin nicht. Innerhalb weniger Wochen galt es, drei abendfüllende Theaterstücke auf die Beine zu stellen.
Polle Wilbert hat Angelika Krautzberger „Sieben Monde“ direkt auf den schwangeren Leib geschrieben. Die ist tatsächlich im achten Monat und beeindruckt daher schon aufgrund ihrer physischen Präsenz. Aber nichts da von wegen Schwangerenbonus. Krautzberger weiß auch schauspielerisch zu überzeugen. Wobei es gerade ihr „Nicht-Schauspielern“ ist, mit dem sie ihrer Rolle als Judith Glaubhaftigkeit verleiht: dieses versunkene Murmeln, als sei sie tatsächlich allein auf dem Dach, allein mit ihren Gedanken, ihrer Hysterie, ihren Befürchtungen und Geheimnissen.
Das Kind, welches Judith in sich trägt, ist nämlich in Wirklichkeit gar nicht von ihrem Freund David. Nur eines der vielen Probleme der vermeintlich doch so glücklichen Mitte-Dreißigerin, deren Leben nach außen hin wirkt „wie aus einer Frauenzeitschrift ausgeschnitten“. Judith hegt einen unglaublichen Groll gegen ihre eigene Biederkeit: Der langweilige Karriere-Job ihres Freundes, der für ein sorgenfreies Leben sorgt, die Harmlosigkeit der eigenen Generation, die persönliche Bequemlichkeit: „Studium der Kunstgeschichte und Literatur, immerhin beendet, um zu sagen, ich mache PR, (...) hat keinen Spaß gemacht, dann schwanger...“ Kurzum: das Drama des sorgenfreien Alltags.
Auf dem Dach des Hotels wartet Judith auf David, den sie auf einer Dienstreise begleitet, und kotzt sich aus. Ein kurzes Beben. Ein einsames Aufbegehren. Bevor es dann wieder zurück geht, in den Alltag. Oliver Minck
Die nächsten Vorstellungen von „Sieben Monde“: 30. Juli, 8.,15.,17. August; jeweils 21 Uhr