Tintenpisser & Treibjäger

■ Genossen bereiten den Abschuß der Integrations-Chefin Dr. Dagmar Lill vor

Völlig arglos hatte sich Bremens neueste Behördenleiterin, die Sozialdemokratin Dr. Dagmar Lill, auf die übliche Schonzeit von 100 Tagen eingestellt. Hatte in Ruhe Aktenordner einkaufen, die 7 1/2 MitarbeiterInnen einarbeiten und freundliche Kontakte zu Amtsstellen anknüpfen wollen. Denn wer konnte sich schon etwas vorstellen unter einer „Zentralstelle für die Integration zugewanderter Bürgerinnen und Bürger“? Selbst der Vorsitzende des Haushaltsausschusses, der SPD-Genosse Wolfgang Klatt, sprach so falsch wie öffentlich von einer „Betreuungsstelle für Aussiedler“, als er Dr. Lill im Dezember spektakulär die Gelder sperrte.

Der Wind bließ Dagmar Lill zum ersten Mal auf der Eröffnungsfeier Ende Oktober mitten ins Gesicht. Sozialsenator Henning Scherf, ihr als „Senatskommissar“ vorgesetzt, machte in seiner Ansprache keinen großen Hehl daraus, daß er nichts von Dr. Lills „Alibibehörde“ hielt. Hinter vorgehaltener Hand war zuvor schon lange bemängelt worden, daß die Zentralstelle von Bürgermeister Wedemeier zu einer Zeit personell bestens ausgestattet wird, in der alle anderen Ämter, die mit Ausländern, Asylbewerbern, Aus-und Übersiedlern zu tun haben, vor Überlastung zusammenbrechen. Und daß die Leiterin der Zentralstelle als in die Partei eingebundene Sozialdemokratin nicht die geborene, couragierte Anwältin der Entrechteten sein könne. Bald prägte Scherfs Behörde den Begriff „Tintenpisser“ für die bis heute tief gekränkten MitarbeiterInen der Zentralstelle. Die empfinden den Sozialsenator nicht gerade als besonders berufenen Fürsprecher für eine intensive basisnahe Ausländerpolitik. Hat Scherf doch in seinem Ressort die Ausländersozialarbeit auf Stadtteilebene weggespart. „Geschockt“ war Lill auch über Scherfs Ansinnen, sie möge doch bitte dafür sorgen, daß der Innensenator seine Asylpolitik bei den KurdInnen künftig weniger liberal gestalte.

Wenig hat auch der patriarchalische Finanzsenator für die aufstrebende Spitzenbeamtin Dr. Dagmar Lill übrig. Die „Dame“ ist für ihn ein „rotes Tuch“, ein „Unruhefaktor“, mit ständigen kostspieligen Projektideen.

Dagmar Lill hat inzwischen die Flucht nach vorne angetreten, viele Seiten Papier konzeptionell gefüllt und signalisiert, daß sie auch mit 300.000 Mark statt 400.000 Mark für die Behördenaktivitäten zufrieden wäre. Doch das wird ihr kaum mehr helfen. Die Genossen, den Streit in der Öffetnlichkeit und den Neid der anderen Behörden leid, denken bereits daran, das Personal in der Lill-Behörde kräftig abzuspecken, noch ehe die Arbeit so recht begonnen hat. Sonst seien weder Frau Lill noch ihr Amt zu retten.

Rosi Roland