Timms Ohnesorg-Buch verfilmt: Freunde fürs Lesen
Schriftsteller Uwe Timm hat das Buch über seinen vor 41 Jahren erschossenen Jugendfreund Ohnesorg reichlich sentimental verfilmt: "Der Freund und der Fremde", 22.35 Uhr, RBB.
ber Benno Ohnesorg hat der Schriftsteller Uwe Timm vor drei Jahren ein Buch geschrieben: "Der Freund und der Fremde" - Erinnerungsarbeit, Selbstbefragung und Recherche in einer mittlerweile vergangenen Zeit. Als junge Männer hatten sich die beiden auf dem Braunschweig-Kolleg kennengelernt, wo sie das Abitur nachholten und die Neugier aufs Leben teilten. Dann trennten sich ihre Wege. Uwe Timm zog erst nach München, dann nach Paris, um Schriftsteller zu werden. Benno Ohnesorg zog nach Berlin, heiratete und wurde bekanntlich am 2. Juni 1967 auf einer Demonstration gegen den Schah erschossen. Er starb 26-jährig. Timm hörte in Paris im Radio von Ohnesorgs Tod.
Eine Art nachgeholter Freundschaftsdienst gegenüber Benno Ohnesorg ist das Buch. Und zugleich eine Studie darüber, wie Uwe Timm ("Rot", "Die Entdeckung der Currywurst") wurde, was er ist. Zusammen mit dem Filmemacher Rolf Bergmann hat Uwe Timm nun zu dem Ohnesorg-Buch eine Ohnesorg-Filmcollage erstellt - zu den Szenen, die Timms tastende, ironiefreie Prosa umkreist, sieht man nun also konkrete Bilder.
Das ist oft ein Vorteil. Sehr eindrücklich etwa, dieses Braunschweig-Kolleg, ehemals Führungsakademie der Hitler-Jugend, vor sich zu haben. Diese Bilder machen deutlich, wie mühsam sich die frühe Bundesrepublik aus den Hinterlassenschaften der Nazizeit herausarbeiten musste. Aufschlussreich auch die Interviews, die Timm mit Zeitzeugen führt, etwa mit Friederike Hausmann, die berühmt wurde, weil sie auf dem ikonischen Foto neben dem sterbenden Benno Ohnesorg kniet.
An entscheidenden Stellen wird diese Filmcollage aber sentimental. Immer dann zum Beispiel, wenn es um Literatur geht. Timm zeichnet sich und Ohnesorg als Freundschaftspaar, das über die Liebe zur Literatur zusammenfand, viel Camus las, vor allem "Der Fremde", worauf der Titel des Films anspielt. Stellenweise schimmert in der im Off gelesenen Timm-Prosa geradezu ein unterdrückter Triumph hindurch, der von dem zerknitterten Timm-Gesicht bei den Interviews nur mühsam dementiert wird: Timm zumindest hat als Autor ja seinen Weg gemacht.
Sentimental ist auch der Blick auf die späten Sechzigerjahre. "68" wird nicht als Aufbruch, sondern aus dem Geiste der existenzialistischen Fremdheit beschrieben: Sowohl den Jubelpersern, die an diesem 2. Juni mit ihren tatsächlich furchterregend langen Holzlatten auf die Demonstranten einschlugen, als auch den rebellierenden Studenten gibt Timm etwas Absurdes. In Benno Ohnesorg scheint letztlich sogar Camus Figur Mersault, der sinnlos tötende Fremde, und das von ihm getötete Opfer zusammenzufallen. Die später bleierne Zeit wirft in diesem Film von vornherein ihre Schatten voraus. Und Uwe Timm flüchtet sich bei seinem Freundschaftsdienst etwas zu bereitwillig in literarische Muster.
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