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Til Schweigers „Tatort“-DebütErfrischend reaktionär

Der neue Tatort-Kommissar ist eine Mischung aus den üblichen Til-Schweiger-Charakteren. Er redet weniger und schießt mehr als die meisten seiner Kollegen.

Er nun wieder. Bild: NDR

„Die schlagen uns tot“, quietschen die minderjährigen Zwangsprostituierten voller Angst. „Vorher [PAUSE] schlag ich sie tot.“ Das war keine Dialogzeile aus „Stirb Langsam“, an die Sie sich nicht mehr erinnern. So beginnt der neue „Tatort“ mit Til Schweiger alias Kommissar Nick Tschiller.

Wenige Minuten später sind die Zuhälter dann tatsächlich weitestgehend erledigt und Tschiller setzt sich mit hübsch martialisch aussehenden kleinen Schmissen im Gesicht in den Polizeibus und spielt den zerknirschten Vater, der vergessen hat, die Cola einzukaufen.

Damit ist man beim größten Problem des neuen Hamburger Kommissars: Eigentlich gibt es ihn gar nicht. Tschiller ist ein Puzzle aus den üblichen Schweiger-Charakteren. Ein wortkarger Lonesome Rider („Schutzengel“), den die Frauen lieben, weil er ja doch eigentlich ein ganz Netter („Keinohrhasen“, „Kokowääh“ 1+2) ist, der tollpatschig daran scheitert, seiner Tochter morgens das Ei genau richtig zu kochen und abends tröstende Worte für ihren Liebeskummer zu finden („Du, das muss sich so anfühlen“).

Ohnehin, die Frauen. Die sind hier entweder "Broschen" (Fahri Yardim als Tschillers „Partner“ Yalcin Gümer), gelangweilte Geliebte (Mavie Hörbiger) oder großäugige Krankenschwestern in kurzen Kittelkleidchen. Und wenn sie es doch bis zur Anwältin (Edita Malovcic) geschafft haben, verdrehen sie über Tschillers Spruch "Wollen Sie jetzt mich ficken oder die Astan-Brüder?" zwar die Augen, finden es aber eigentlich ganz geil. Geradezu erfrischend reaktionär, dieses unzensierte Machotum, nach der ganzen Brüderle-Debatte.

Genauso müßig ist es, sich über diesen „Tatort“ aufzuregen. Besser: mal loben. So viel wird darüber gemeckert, die Kommissare seien überpsychologisiert (Dortmund-Kommissar Faber, Keppler in Leipzig), und es werde immer so viel geredet und so wenig geschossen. Da soll Schweiger doch ruhig mal den Bruce Willis machen. Will ja sonst keiner. Und außerdem macht er das ja, für sich genommen, auch ganz gut.

„Tatort“: „Willkommen in Hamburg“; Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

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26 Kommentare

 / 
  • TE
    Till Eulenspiegel

    Problematisch, wie Schweiger Produktplatzierung in eigener Sache betreibt, nach dem Motto: Zuschauer, welche die Tochter dieses Fernsehkommissars nett finden, gehen im Kino häufig auch in die Schweiger-Filme...

     

    Ein Image zu Vermarktungszwecken zu transportieren, das ist wohl der Hauptgrund für dieses öffentlich-rechtlich bezahlte Ballerfilmchen.

     

    Parallel sieht man den, vor allem, wenn es um fesch blondierte und engagierte adlige Ministergattinnen geht, meinungsfreudigen Schwiegermutter-Knuddel-Macho auch in reaktionären Talkshows wieder über die hiesige Neidgesellschaft ablästern.

     

    Aber ein Schweiger ist halt kein Darsteller von Rang. Die Nuscheligkeit mag von Brando abgekupfert sein, hier hat sie ausser Trotz aber keine Funktion.

     

    Die mit grosser Geste gespielte aggressive Auseinandersetzung mit ignoranten Kritikern in der Talkshow mag von George abgekupfert sein, hier hat sie aber keine Berechtigung.

     

    Sah man sich, weil man Schimanski kannte, mal einen Film mit Götz George an, war man zumeist enttäuscht, wenn man da auch den Superbullen suchte. Und bei den Schimanski-Tatorten ging es immer um viel mehr, um differenzierte Plots, um schön gespielte Parodien auf Recht und Ordnung und vergebliches Rebellentum, um das Ausloten menschlicher Abgründe in einer Welt voller Selbstzweifel.

     

    Schweiger guckt in der Schlussszene mit dem Hühnerei und seiner niedlichen Tochter zwar so, als habe es all das auch bei ihm zu sehen gegeben. Aber nix war ausser den langweiligen neunzig Minuten Trailer für weiter Folgen von "Keinohnhasen" und Compagnie.

  • C
    Christoph

    Bitte, bitte lasst Til Schweiger weiter seine Kinofilmchen drehen und nicht den Tatort "entweihen". Der Tatort hat mehr schauspielerisches Format(betrifft auch das werte Töchterchen, das die Rolle wohl nur dem Vater zu verdanken hat) und bessere Drehbücher verdient. Das hier war einfach eine Überdosis an Schwarz-Weiß-Malerei, an primitivem Heldentum mit viel Geballere und Hollywood-Happyend - auch wenn ich nachvollziehen kann, dass die Til Schweiger-Lobby diesen ach so harten Zeiten bewußt eine Heilsbotschaft entgegensetzen wollte. Aber das Märchen vom eigentlich sensiblen Einzelkämpfer-Haudrauf, der mit gezielter Grenzüberschreitung und Härte das organisierte Verbrechen besiegt, passt einfach nicht mehr in die heutige Zeit. Dann doch lieber Grimm's Märchen oder das Original: den guten alten Schimanski auf DVD!

  • R
    REF

    Alles bestenfalls halb-dimensional: Story, schauspielerischer Ausdruck, Figuren, etc. Til Schweiger erinnert mich an die Jungs, die Samstagabend aufm Dorf vor der Disko ganz wild mit den Mopeds rumgekurvt sind: wirklich gefährlich war's woanders und die Mädels waren auch woanders. Da gab's halt viel Rumgeknatter und man hat sich auch mal vorsichtig auf die Fresse gelegt ...; alles mit gebremstem Schaum, weil Montagmorgen ging's ja wieder auffe Arbeit.

  • AR
    alles richtig...

    ...was hier gesagt wurde!

    "Es gab nur einen coolen Tatortbullen und das war Schimanski. Alles andere ist Mist!"-

    "...fand ihn witzig, wirklich. Erfrischend. In der Tat."-

    "Was soll's - wir haben uns auf Till Schweiger vorbereiten können und ihn bekommen wie er (t)schillernd seine Rollenklischees zusammenbringt: nuschelnd, netter Papi, Frauentyp und einsamer Wolf...Und nun positioniert sich auch dieses Tatort-Team in eine Lücke: Hamburg wird der "harte"; Münster der "humoristische"; Hannover der "unterkühlte"; Konstanz der "zickige" ... und so weiter. Eine Pralinenschachtel, die für jeden etwas bietet. Warum eigentlich nicht?"

    ALSO MIR HATS GEFALLEN!

  • J
    JoHnny

    tatort: "ich nuschel ein bißchen..."

     

    werte anna klöpper,

     

    und ich dachte: ballermann ist auf

    mallorca!?!

     

    mfg

  • H
    hto

    Also ich kann mir sehr gut vorstellen, daß in der Wirklichkeit des "freiheitlichen" Wettbewerbs auch nur wenig rumgeballert werden darf, weil die Geschäfte, wie Tourismus, darunter leiden würden ;-)

     

    Den Einstieg in den Tatort (wenn es denn einer war???) fand ich klasse, gerade bei diesem Thema.

  • O
    OWeia

    Erfrischend?? Stumpfes Geballere, ein Gesichtsausdruck (nennt man das Schauspielern?) und leider eine völlig zusammenhanglose, unspannende Story, dazu noch total auf einen der talentlosesten Schauspieler des Landes überfixiert. Aber nur nicht nur ihm gilt der Vorwurf sondern auch Drehbuch und Regie. Was war daran erfrischend?

    Einfach nur provinziell im Vergleich zu Serien wie Sherlock, Luther, Homeland & Co. Traurig.

  • IW
    Irina Weber

    Schwachsinnige und zotige Dialoge, schwache Darsteller,0 Spannung, Till Schweiger als Till Schweiger. Schade um die Sendezeit.

  • E
    el-thosito

    das war nun wirklich absolut eindimensional,zotig und langweilig. action im sinne von plumpen aktionismus. wer warum was macht? interessiert doch keinen.

    die einzigen momente von "tiefgang" (schweiger sinniert vor seiner tochter über das schicksal gehandelter mädchen) und der moralische showdown zum schluss scheitern auch dank schweiger`s limitierter kunst vollständig. vor allem aber, weil sich der film für den überbau zur handlung ohnehin nicht interessiert. öde.

  • H
    H.Hubertus

    Till Schweiger machts möglich. Im ARD Tatort wird nun

    mit harter Hand und minutenlang abgeschriebenen USA-Verbrechensklischees vorgemacht,

    wie man öffentliche Brutalgewalt mit Hilfe der Polizei organisiert. Bravo !

    Ganz ohne richtige Filmgeschichte, ohne schauspielerisches Engagement oder gar Anspruch eines

    diesmal extrem nuschelnden Hauptdarstellers, von mehreren Nebenfiguren geradezu an die Wand gespielt .Das Meiste im Dunkeln gefilmt, nur vom Mündungsfeuer erhellt, ohne

    jede Spur von Anspruch an das Publikum. Ganz zu schweigen vom Mitdenken der Krimifreunde.

    Millionen waren wohl neugierig, - eigentlich hätten jugendliche Zuschauer wegen der

    Gewaltdarstellungen mit `nicht geeignet` gewarnt werden müssen – aber auf

    einen T a t o rt ähnlichen Beitrag hat man vergebens gewartet.

    Den Dschungelcamplieblingen hats sicher gefallen. Aber das war bestenfalls

    was für superharte Videoausleiher aus rechten Kreisen…..

    Herbert Hubertus

    12555 Berlin

  • H
    Henry

    Was soll's - wir haben uns auf Till Schweiger vorbereiten können und ihn bekommen wie er (t)schillernd seine Rollenklischees zusammenbringt: nuschelnd, netter Papi, Frauentyp und einsamer Wolf. Ich bin wahrlich kein Fan von Schweiger, weil er nun mal immer das Gleiche abliefert. Aber hin und wieder im Tatort ist das erträglich. Um ihn herum gibt es dann noch ein Team in dem sich einige Ansätze für weitere Stories anbieten ... mal sehen was die Schreiber daraus machen.

     

    Klar, die Story war durch die viele Ballerei und die unglaubwürdigen Alleingänge grenzwertig, aber bei amerikanischen Serien halten die meisten von uns das ja auch nicht für ein Manko. Ein Tatort ist triviale Unterhaltung; nicht mehr und nicht weniger.

     

    Und nun positioniert sich auch dieses Tatort-Team in eine Lücke: Hamburg wird der "harte"; Münster der "humoristische"; Hannover der "unterkühlte"; Konstanz der "zickige" ... und so weiter. Eine Pralinenschachtel, die für jeden etwas bietet. Warum eigentlich nicht?

  • PR
    Philippe Ressing

    Was für ein Geschwätz, dieser Tatort enthielt keine Story die über 90 Minunten trug, war eigentlich eher eine Art you-tube flash. Filmisch und stilistisch wurden die skandinavischen Krimiformate gekonnt kopiert, während die Variationstiefe des Hauptdarstellers zwischen ungemachtem- und vor Tagen bezogenem Bett pendelte.

    So weit, so belanglos und lustig. Der Spaß hört aber auf, wenn Herr Schweiger das Bullen-Klischee bedient, er killt einfach mal ein paar Böse und empfindet auch danach nix. Insgesamt - wie so oft beim Tatort - ein Film, der stilistisch wie von der Story her nichts innovatives bietet. Da schau ich mir lieber den psychopatischen Tatort aus Dortmund an!

  • F
    Falmine

    "Erfrischend" reaktionär? Na, dann aber bitte morgen nicht wieder das Rumgeheule #aufschrei!

    Das war doch billigstes Knallchargieren! Rumgeballer und die Frauen schön blöd und hilflos. Jede Frau sollte die GEZ aufs Sperrkonto zahlen, bis Familie Schweiger Tatort-Geschichte ist!

  • B
    Barbara

    Schön war´s bei "Dittsche", gestern live, mit Tschick Niller aka Tschwill Teiger (oder umgekehrt?!) und seinem Kollegen in den Nebenrollen *****

  • TR
    Tabula Rasa

    Hahaha, "Til Schweigers 'Tatort'-Debüt: Erfrischend reaktionär"...

    so jedenfalls die TAZ.

     

    Zweifelsohne reaktionär, als Schweiger vor gar nicht so langer Zeit sein erfrischendes Wohlempfinden aus Stephanie Anna Charlotte Freifrau von und zu Guttenbergs Enddarm hinausposaunte und (auch damit) den Mob für "Tatort Internet" hat "sensibilisieren" wollen sowie ohne Unterlass seine Tochter prostituiert bzw. (im Neusprech) vermarktet.

     

    Wahrlich "plump reaktionär", wie sich Schweiger nun (also zum Showdown im "Willkommen in Hamburg"-Tatort) bei Brion Enos "Force Marker" bediente...

     

    Oder anders formuliert: Erfrischend reaktionär oder geht es noch plump-dreist reaktionärer?

  • K
    Kopfweh

    Ich frage mich echt, wie die taz dazu kommt, diesen Schwachsinn im Vorfeld so zu loben.

    Die Sonntage mit diesen Tatorten muss man sich im Kalender anstreichen, damit man weiß, dass man sich da was anderes vornehmen muss, wenn man nicht KoKopfwäh kriegen will. Frauen mit Profil haben sich wohl auch keine als Schauspielerinnen für diesen Trotteltatort verpflichten lassen. Ist die Tochter eigentlich so blöd, wie die Rolle, die sie spielt? Man könnt's fast meinen. Selten so wenig über so dämliche äktschen gelacht.

  • R
    ReVolte

    Erfrischend reaktionär?

    Da schau an. Bei Till so - bei Joachim so. Seehr glaubwürdig, taz.

    Soviel zur Relevanz der aufschreierei.

  • Q
    Querulant

    Es gab nur einen coolen Tatortbullen und das war Schimanski. Alles andere ist Mist!

  • B
    Brausepulver

    fand ihn witzig, wirklich. Erfrischend. In der Tat.

  • BS
    Beppo Straßenkehrer

    Til Schweiger, Nick(name), fand ich gar nicht mal schlecht besetzt, aber sein Partner, der im Krankenhausbett noch im Zweifingersystem die ganze Stadt hackt, sollte wohl ein B-Klassen Moritz Bleibtreu sein und der große Zuhälter hatte die gleiche Narbe in der Augenbraue sowie den Habitus eines Bushido.

    Ich war sehr enttäuscht über die schlampige Produktion.

    Es waren einige Lieblosigkeiten, die einfach auf eine hastige und ahnungslose Abnahme hindeuten.

    Auch die Regie hat den Showdown völlig in den Sand gesetzt, es zumindest versäumt zu bedenken dass ein ehemaliger SEK-Beamter sicher kein Magazin leerballern wird, bis er trifft !

    Ich weiß nicht, was genau passiert ist, vllt war der Erwartungsdruck zu hoch, aber vom Tatort bin ich ansonsten besserer Qualität gewohnt.

  • M
    markus

    Fer Film ist KÄSE & reine Zeitverschwendung.

  • K
    kotz

    So einen Schrott kann nur eine Frau über Till S. schreiben. Jeder normale Typ muss sich übergeben wenn er nur an den Till denkt...Dagegen is Brüderle ne Erfrischung , aber echt,...

  • G
    GEZ-Glotze

    Zwangsfinanzierter sozialistischer Staatsrundfunk. Wie erfrischend reaktionär. Wir danken der taz für ihren Beitrag.

  • TM
    Tussi mit Massen

    Das Problem ist ja nicht Til Schweiger, sondern eine Medienlandschaft, in welcher so einer schon zum Ereignis wird.

     

    Gucke das trotzdem mal. Einfach, weil ich wissen will, ob es gelingt, das Format Tatort wirklich zu demontieren.

     

    Jeden Versuch dazu kann man nur begrüssen, selbst wenn es so krachend scheitert wie mit Ulrich Tukur.

     

    Natürlich wird Schweiger das Format kein bisschen auseinanderbauen, denn so ist der ja eigentlich gar nicht. Eigentlich passt er zum Tatort wie die Faust aufs Auge - genau das Mass an Überraschung, was die Lehrerin am Sonntag abend vor dem Start in die Woche bei einer halben Flasche Wein noch verkraften kann.

  • A
    aujau

    Reaktionaer ist erfrischend? Bin gespannt auf den Tatort. Aber vielleicht ist es ja auch nur die Rache des oft ausgelachten Til Schweiger...

  • J
    Jiri

    die Überschrift von Anna Klöpper passt vorzüglich zur taz