Tierschutzpartei im Berliner Wahlkampf: „Wir sind keine Ein-Thema-Partei“
Aida Spiegeler Castañeda führt die Landesliste der Partei für Mensch, Umwelt, Tierschutz an. Im Wahlprogramm geht es auch um die soziale Frage.
taz: Frau Spiegeler Castañeda, Ihre Partei ist die erfolgreichste Kleinpartei in Berlin. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Aida Spiegeler Castañeda: Zum einen sind Menschen offener geworden, sich kleinere Parteien anzuschauen. Das hängt auch mit der Politikverdrossenheit zusammen, die viele der großen Parteien auslösen. Dann schaut man doch ein bisschen über den Tellerrand. Außerdem sind wir keine Ein-Thema-Partei, sondern versuchen allen Aspekten gerecht zu werden. Hinzu kommt, dass die ganze Bewegung rund um Fridays for Future und die vegane Ernährung größer geworden ist. Das führt zu einem neuen Bewusstsein im Umgang mit Tieren, Menschen und der Umwelt.
Aida Spiegeler Castañeda
geboren 1994, ist Spitzenkandidatin für die BVV im Bezirk Spandau und belegt den ersten Platz der Landesliste der Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei). Sie ist eine der drei Bundesvorsitzenden der Partei.
Der Name Tierschutzpartei klingt ja doch eher nach Ein-Thema-Partei …
Darüber haben wir uns viele, viele Gedanken gemacht. Leider können wir uns nicht in M.U.T. [Mensch, Umwelt, Tierschutz – Anm. d. Red.] umbenennen, da es bereits eine andere Kleinstpartei mit diesem Namen gibt. Ein neuer Kurzname würde außerdem dazu führen, dass wir alte Wähler:innen verlieren. Bei der hohen Anzahl an Kleinparteien steht der Name Tierschutzpartei für sich. Diesen Wiedererkennungswert wollen wir nicht aufs Spiel setzen. Trotzdem versuchen wir vermehrt, auf den langen Namen unserer Partei „Mensch, Umwelt, Tierschutz“ hinzuweisen.
Was sind die zentralen Punkte im Wahlprogramm Ihrer Partei?
Uns geht es vor allem um die drei Themenblöcke Mensch, Umwelt und Tierschutz. Diese hängen eng miteinander zusammen, daher wollen wir keine einzelnen Themen herauspicken, sondern uns auf den Kontext konzentrieren. Ein Beispiel dafür ist der Klimawandel, der stark mit der Massentierhaltung zusammenhängt. Diesen großen unbequemen Punkt auszulassen entspricht nicht unserem Ansatz. Wir können uns nicht um Menschen kümmern, wenn wir uns nicht um das Klima kümmern.
Wofür steht die Tierschutzpartei in Berlin?
Berlin hat ein großes Verkehrsproblem, das sehe ich vor meiner Haustür in Spandau. Viel wird gebaut, aber die Infrastruktur nicht mitgedacht. Bei den Wohnungen wollen wir den Fokus auf den sozialen Wohnungsbau legen, damit die Mieten nicht weiter in die Höhe gehen. Statt weiteren Boden zu versiegeln, sind wir dafür, Wohnungen zu renovieren und den hohen bestehenden Leerstand zu nutzen. Ein noch wichtigerer Punkt ist jedoch die Schulpolitik. Wir setzen uns für einen Lehrplan ein, der das Fach Umweltethik beinhaltet. Es ist wichtig von klein auf zu lernen, wie mit unserer Umwelt umgegangen werden soll.
Ihr Wahlprogramm ähnelt inhaltlich dem der Grünen. Wie grenzt sich Ihre Partei inhaltlich von anderen Parteien ab?
Ein großer Punkt ist für uns das Thema Konsequenz. Ich persönlich finde es schwierig, im Vorfeld Entscheidungen zu treffen und dann nicht dazu zu stehen. Das hat sich beispielsweise in der Reaktion der Grünen auf die Räumung des Hambachers Forstes und nun auch in Lützerath gezeigt. Wir stehen zu unseren Entscheidungen. Übergreifend kann man auch sagen, dass wir unseren Fokus mehr auf die Ursachen bestimmter Probleme legen. Dazu versuchen wir konkreter zu denken, auch wenn wir nicht unbedingt mehr Erfahrung haben. Inhaltlich besteht der größte Unterschied vor allem in der Tierrechtspolitik.
Abgeordnetenhauswahl
Die Tierschutzpartei erzielte 2021 bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus 3,4 Prozent der Erststimmen und 2,2 Prozent der Zweitstimmen. Damit verbesserte sich die Kleinpartei zur vorherigen Wahl um 0,3 Prozentpunkte und verdrängte so „Die Partei“ als erfolgreichste Kleinpartei.
Bezirkswahlen
Bei der Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung wurden insgesamt 3,1 Prozent der Stimmen erzielt. Derzeit erreichte die Tierschutzpartei Mandate in Mahrzahn-Hellersdorf, Spandau, Lichtenberg und Treptow-Köpenick. (taz)
Gibt es Wähler:innen, die Ihnen explizit wegen des Tierschutzes ihre Stimme geben?
Ja, da gibt es tatsächlich viele Menschen, einfach weil dieses Thema für sich steht. Ihnen sind Tiere sehr wichtig, also muss es jemanden geben, der sich für sie einsetzt. Viele andere Themen werden zudem von mehreren Parteien aufgegriffen, Tiere fallen in der Regel aber komplett heraus. Auch hat Tierschutz mit sozialer Gerechtigkeit zu tun, denn unser Umgang mit Tieren hat auch einen Einfluss auf uns selbst.
Wie verläuft der Wahlkampf im Vergleich zu 2021?
Die Stimmung ist sehr positiv, weil wir in Umfragen stetig gute Ergebnisse erzielen, zum Teil liegen wir schon bei 4 Prozent. Wir hoffen auf mehr Mandate auf Bezirksebene, eventuell auch auf den Einzug ins Abgeordnetenhaus. Der Wahlkampf an sich ist sehr anstrengend, da ein Großteil der Arbeit von Ehrenamtlichen übernommen wird. Jetzt ist alles sehr kurzfristig, und es ist schwerer, die Leute zu motivieren, auf die Straße zu gehen. Viele Ressourcen, wie etwa Plakate, können wir wiederverwenden, die wurden, genau wie die Flyer aus Gründen des Klimaschutzes, extra so gedruckt.
Insgesamt sind wir vom Kostenthema nicht so sehr betroffen, dass wir im Vergleich zu 2021 nur noch ein Viertel unseres Budgets haben, merkt man aber schon. Die Wahlwiederholung ist für uns ein zweischneidiges Schwert. Wir hoffen aber, Aufmerksamkeit auf unsere Themen ziehen zu können, und sehen die Wahl als Chance. Um es in einem Satz zu sagen: Es ist anstrengend, es ist viel Arbeit, aber wir sind sehr optimistisch. Das macht vieles wieder wett.
Wie schätzen Sie die Chancen ein, im Abgeordnetenhaus einen Sitz zu erlangen?
Wenn die Umfragen bei 4 Prozent sind, hoffen wir auf Wähler:innen die uns ihre Stimme geben, weil wir eine Chance auf einen Sitz im Abgeordnetenhaus haben. Wir sind vorsichtig, realistisch und optimistisch zugleich.
Auf Ihrer Website ist von einer historischen Wahl die Rede. Was meint historisch?
Damit ist der mögliche Einzug ins Abgeordnetenhaus gemeint. Das wäre das erste Mal, dass wir in einem Landtag landen.
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