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Tierschützerin zu Hundemord in der Ukraine„Natürlich sind weniger Hunde das Ziel“

Marion Dudla vom Deutschen Tierschutzbund über deutsche Werbung für Straßenhunde in Kiew, die Tierliebe der Ukrainer und den Nutzen von Kastrationen.

Respekt, bitte! Das ganze Plakat finden Sie <a href="http://www.tierschutzbund.de/fileadmin/bilddatenbank/Themenbereiche/Odessa/Odessa_aktuell/DTSB_KARTEUKRHUNDE_1000.jpg">hier</a>. Bild: Deutscher Tierschutzbund
Michael Brake
Michael Brake
Interview von Michael Brake und Michael Brake

taz: Frau Dudla, wie kommt es, dass ein deutscher Tierschutzbund in der Ukraine Plakate klebt und Fernsehspots schaltet? Hat die Ukraine keine eigenen Tierschutzvereinigungen?

Marion Dudla: Das Thema der Tötung von Straßenhunden ist in vielen östlichen und südlichen Ländern Europas ein Problem, das in der Ukraine im Zuge der EM natürlich besonders ins Blickfeld geraten ist. Und ja, es gibt es auch Tierschützer vor Ort, aber nicht mit unserer Schlagkraft und unseren finanziellen Mitteln. Abgesehen davon ist der Deutsche Tierschutzbund grundsätzlich nicht nur in Deutschland aktiv. Uns ist dabei wichtig, dass nachhaltig vor Ort etwas getan wird. Also nicht hunderte, tausende von Tieren nach Deutschland holen und hier weitervermitteln.

Wofür werben die Plakate genau?

Für ein Projekt in Kiew, das die Straßenhundepopulation der Stadt mit tierschutzkonformen Maßnahmen langfristig zu reduzieren soll. Mit diesem Konzept – „Fangen, Kastrieren und Freilassen“ – sind wir seit 2000 in Odessa aktiv und sehr glücklich, wie es läuft. In Kiew haben wir Ende Februar einen Vertrag mit dem stellvertretenden Bürgermeister unterzeichnet, so dass wir jetzt auch dort das Tierschutzzentrum bei Kastrationen und Aufklärungsarbeit unterstützen können.

Wie läuft die Aktion bisher?

Erfolgreich. In zwei Tierkliniken haben ukrainische Tierärzte bereits einige hundert Hunde kastriert.

DTSB
Im Interview: Marion Dudla

36, ist gelernte Germanistin und Sprachwissenschaftlerin. Seit April 2010 ist sie Pressesprecherin des Deutschen Tierschutzbundes.

Dass sich der Tierschutzbund für eine Reduzierung der Hundepopulation einsetzt, dürfte auf den ersten Blick einige Menschen überraschen.

Diese Hunde sind ja ihrem Schicksal überlassen und müssen unter schlechten Bedingungen leben. Da ist natürlich eine Reduzierung das Ziel. Mit humanen Methoden. Das Töten funktioniert hingegen nicht, das ist nicht nachhaltig: Werden durch Tötungen Plätze frei, werden diese einfach von anderen Tieren eingenommen.

Die Größe einer Hundepopulation wird von den Ressourcen wie Wasser und Nahrung bestimmt, davon hängt auch ab, wie viel Nachwuchs Muttertiere kriegen. Deshalb hat die Kastration oberste Priorität, nur so kann man langfristig etwas erreichen. Das schließt auch die unkastrierten Tiere in Privathaushalten ein, die draußen herumlaufen. Sie sind Teil des Problems.

Aber wirkt so eine Werbekampagne nicht ein bisschen kulturimperialistisch? Die Deutschen erklären den Ukrainern jetzt mal, wie Tierschutz funktioniert.

Die Kampagne ist zweisprachig, Ukrainisch beziehungsweise Russisch und Deutsch – damit wir eben nicht so auftreten nach dem Motto „Hier ist der Deutsche Tierschutzbund und hier wird Deutsch geredet“.

Es wäre ja aber auch ganz ohne Deutsch gegangen.

Das wäre denkbar gewesen, aber es sollte ein Motiv sein, das hier und dort funktioniert. Außerdem wird so auch noch mal deutlich, dass wir gemeinsam an diesem Thema arbeiten. Jedenfalls liegt es uns fern, kolonialistisch aufzutreten. Zusätzlich wurden die Fotos direkt in der Ukraine gemacht und wir haben extra ein freundliches Motiv gewählt – eben nichts mit Blut, wie das vielleicht andere Organisationen machen würden, damit schlägt man sich eher die Türen zu. Bisher haben wir von der Bevölkerung keine negativen Rückmeldungen bekommen.

In Deutschland bekam das Thema der Hundetötungen im Herbst 2011 große Aufmerksamkeit. Hat sich dadurch in der Ukraine irgendwas konkret getan?

Ein vorsichtiges Ja. Die meisten Ukrainer sind sehr tierlieb, wir haben auch schon in Odessa gesehen, wie viele Menschen unser Zentrum besuchen, wie sie „ihre“ Straßentiere füttern und sich um sie kümmern. Aber würde nur das Tierwohl im Vordergrund stehen, dann gäbe es diese Hundetötungen auch nicht. Denn trotz des ukrainischen Tierschutzgesetzes, das die Tötungen verbietet, gibt es immer noch so genannte Doghunter, die teilweise schon sehr intensiv zugange sind.

Ein solcher Hundejäger wurde in Kiew vor zwei Wochen zu vier Jahren Haft verurteilt. Bedeutet das, dass es ein Umdenken gibt?

Dieses Urteil ist ein gutes Zeichen, denn aus Gesprächen vor Ort wissen wir, dass die Verwaltungen angehalten sind, Tiertötungen konsequent zu ahnden. Aber natürlich muss man jetzt dranbleiben, damit diese Entwicklung nachhaltig auch nach der EM weitergeht und nicht mit dem Interesse am Land auch das Interesse für die Tiere nachlässt. Die Gefahr ist sicher groß, dass sich dann andere Organisationen zurückziehen. Wir bleiben auf jeden Fall dran, unser Projekt ist erst mal für zwei Jahre angelegt.

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14 Kommentare

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  • K
    katze13

    Ehrlich gesagt kann ich die vielen negativen und heftigen Reaktionen zu dem Artikel nicht nachvollziehen... Was ist denn bitteschön falsch daran, die Tiere zu kastrieren und damit das Problem der Überpopulation an der Wurzel zu packen?

    Dass die Tiere überhaupt erst ausgesetzt worden sind, ist ein viel tiefergehendes Problem, was sich aber NICHT so schnell lösen lassen wird, schon gar nicht über eine TIERschutzorganisation; womit ich bei einem weiteren Kritikpunkt wäre: Tierschutz impliziert eben Tierschutz - Menschenrechts- und Hilfsorganisationen kümmern sich um Menschen. Wo ist das Problem dieser Einteilung?

    Natürlich gehört das alles auch irgendwie zusammen, aber konkrete Hilfe muss aufgeteilt werden.

    Und zum Punkt "Kulturimperialismus": Die miserable Behandlungen von Lebewesen, ganz gleich welcher Art, sollte sich niemals(!) unter dem "Deckmäntelchen" Tradition oder sogenannter "Kultur" verstecken dürfen!

    Generell denke ich, dass Kultur (und Religionen) echt überbewertet werden. Lässt sich mit "Kultur" denn jeder Mist rechtfertigen?

  • J
    Jun

    @freda

    Welche Videos? Die die schon im Winter als der Skandal konstruiert wurde veraltet waren?

     

    Aber Sie haben mich auch vollkommen falsch verstanden.

    1. Bezog sich mein Geschreibsel auf den ersten Kommentar, der nachdenklich ist weil Menschen hungern und Hunden geholfen wird.

    2. Meine ich natürlich die Kastration, die im Artikel vom Tierschutz-Menschen angepriesen wird, mit "wirksam eindämmt". Es klingt für mich einleuchtend, dass kastrieren wirksamer ist als töten.

     

    Aber Sie werden mir hoffentlich meinen "Egoinsmus" verzeihen, dass mir das Wohl von Strassenmenschen mehr am Herzen liegt als das von Straßenhunden... dafür haue ich Ihnen auch nicht Ihre eigenen Worte um die Ohren. ;-)

  • F
    freda

    @jun:"Population von Straßenhunden wirksam eindämmen".. hast du überhaupt ne ahnung wie das aussieht?? glaubst du die werden tod-gestreichelt?schwer misshandelt lebend angezündet oder übel vergiftet und meterhoch haufenweise übereinander geschmissen. wenn du´s aushälst gibts genug video´s drüber im net. also da laufen die nicht rum und geben allen hunden eine sanfte einschlafspritze wie hier das einschläfern aussehen würde! einfach so naiv was daher plappern ohne sich ein bild gemacht zu haben...

  • T
    toddi

    Süper Plakat- heißt die Übersetzung nicht ohne zu Hause ... auch im Kommando - also obdachlose Hunde? vielleicht betrifft das mittlerweile viel mehr 2 Beiner

    als 4 Beiner -also Menschen die wirkliche PROBLEME haben ...

  • B
    Bernd

    Das kann es doch wohl nicht sein: Alle herrenlose Hunde Europas nach D.

  • Y
    Yadgar

    Die Hauptgefahr, die von den Strassenhunden in der Ukraine ausgeht, dürfte die Tollwut sein - anders als in Mittel- und Westeuropa ist sie in den osteuropäischen Ländern noch keineswegs ausgerottet, sondern wird weiterhin z. B. durch Füchse oder Wölfe verbreitet. Und da herrenlosen Straßenhunde wohl kaum geimpft sein dürften... bleibt eigentlich nur Abknallen oder das Auslegen von Impfködern (mit denen hierzulande bekanntlich die Tollwut bei Füchsen praktisch zum Verschwinden gebracht wurde).

  • N
    nixgegentiere

    ich habe nichts gegen tiere als solches das mal vorneweg.

     

    aber tierhaltung ist generell mal scheisse. wozu soll ich ein tier halten und es sozusagen widernatürlich zu meiner geisel machen? das überhaupt noch tiere gezüchtet werden ist schon mal krass es laufen doch genug davon rum und kacken die gegend voll. brauch ich das tier zum schutz, oder als blindenhund oder für einsame alte oder behinderte menschen naja mag ja noch angehen. aber einfach so als familienmitglied oder kinderersatz? pervers. das geld das für diese tiere ausgegeben wird wäre doch auch anders in tierschutz investierbar. egal um was für ein tier es sich handelt es solte in seiner natürlichen oder naturnahen umgebung leben. tiere die durch den menschen eine überzahl angenommen hat die anderen lebewesen zu gefahr wird muss reduziert werden. ich mag jedes tier als einzelnes aber tierbesitzer haben für mich alle einen mehr oder weniger starken hau ab. sind sie gott das sie sich ein leben untertan machen?

  • T
    T.V.

    Und in Zukunft genehmigt der Tierschutzbund auch Tierversuche, solange die Tiere nur beim Vorher/Nachher-Foto gleich aussehen, gell?

     

    Vielleicht sollten wir über Kastrationen an Menschen nachdenken, viele Tiere würden sich freuen. Ach was, alle!

  • O
    oliver

    vielleicht haben die Strassenhunde ja auch schon so manches Strassenkind in der Ukraine angefallen.

    Das kümmert den Tierschutzbund dann relativ wenig.

    Das ganze ist eine Kampagne um Spendengelder zu erlangen oder von Adidas und DFB zu erpressen.

    So funktioniert effektive PR.

  • MM
    Mirko Malessa

    Hunde durch kastrieren ausrotten. Aber sie danach noch eine paar Jahre lang ohne Futter, Herrchen, oder Liebe rumstreunen lassen bis sie elendig unter freiem Himmel verrecken.

     

    Selten so einen SCHWACHSINN gelesen! Die Frau hat maechtig einen an der Waffel.

     

    Man sollte sich eher fragen, warum so viele Hunde ausgesetzt werden, und da das Problem angehen.

     

    Wie waers uebrigens mit dem Beispiel Tierheim? Aber Tiere nach ein paar Monaten einschlaefern ist bestimmt auch falsch; wir sollten diese Tiere dann lieber freilassen und zu tausenden durch Deutschland stromern lassen, bis sie verrecken...

  • HI
    Hundsmiserables Interview!

    zweisprachige Werbung ist also was anderes als verschleierter Kulturimperialismus? Straßenköter in Osteuropa ein Problem - oder wird es erst durch den Deutschen Tierschutzbund zu einem gemacht?!?!

    Einfach mal kritisch nachfragen Herr Brake!

  • J
    Jun

    Den Fußball-Hunde Zusammenhang haben andere medien und die zum Thema gehörige Facebook Gruppe im Winter konstruiert, da die Ukraine die Hunde angeblich für die EM töten ließ.

    Wer die Population von Straßenhunden wirksam eindämmt, der schützt auch Menschen. Wo ist das Problem?

  • J
    Josef Švejk

    Dessen unbenommen, daß deutsche Spender ihr Geld ausgeben können wofür sie wollen -

     

    aber so richtig konsistent klingt die Argumentation aber nicht.

    Wenn man schon mit einer ressourcenabhängigen Selbst-Regulation der Populationsgröße argumentiert -

    und richtigerweise die Wirkungslosigkeit des Abschusses erkennt - was soll da bei der Kastration prinzipiell anders sein?

     

    Und nochwas:

    An anderer Stelle sind schon die freilaufenden Hunde als eine Voraussetzung der Koexistenz der menschlichen Zivilisation mit dem Bären als Wildtier benannt.

    Da bei uns der Leinenzwang gilt, konnte Bruno kein Raum gewährt werden.

    Also, ein Hoch auf die Hunde, und auf Osteuropa.

    Im Namen des Artenschutzes.

  • H
    Hundekind

    Was haben Hundethemen bitteschön mit Fußball zu tun?

    Ach so, für Hunde wird sich eingesetzt - und die Menschen werden verhungert gelassen? Das macht sehr nachdenklich.