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Tierheime vor der PleiteVolle Heime, leere Kassen

Jedes zweite Tierheim ist von der Pleite bedroht. Denn die Finanzkrise hat für sinkende Spendeneinnahmen gesorgt. Dabei müssen immer mehr Tiere versorgt werden.

Der Deutsche Tierschutzbund schlägt Alarm: die Hälfte der über 500 angeschlossenen Tierheime seien akut in ihrer Existenz gefährdet. Bild: dpa

Das Tierheim Lüneburg hatte Glück und bekam im letzten Jahr eine saftige Erbschaft gespendet. "Das hat uns gerettet", sagt Jan Pless, der Vorsitzende des Tierheims. Zwar sei die Lage in Lüneburg noch immer schwierig, aber nicht mehr lebensbedrohlich. An vielen Orten in Deutschland sieht es anders aus. Deshalb schlägt der Deutsche Tierschutzbund Alarm: die Hälfte der über 500 angeschlossenen Tierheime seien akut in ihrer Existenz gefährdet.

Durch die Finanzkrise seien die Spenden eingebrochen und zusätzlich mehr Tiere von ihren Haltern abgegeben oder ausgesetzt worden. Zwischen 2006 und 2009 hat sich der Durchschnittsbestand in deutschen Tierheimen um 39 Prozent erhöht, geht aus einer repräsentativen Umfrage des Mafo-Instituts in Schwalbach hervor. Auch die Vermittlung dauert immer länger. "Mehr Tiere, längere Verweildauer, schwierigere Vermittlung und damit erhöhte Kosten", fasst Präsident Wolfgang Apel zusammen.

Fundtiere als Hauptproblem

Das Hauptproblem sei allerdings die mangelnde Finanzierung durch die Gemeinden. "Seit Jahrzehnten übernehmen die Tierheime öffentliche Aufgaben", heißt es in einem offenen Brief von Apel an die kommunalen Mandatsträger. Die Fundtierverwaltung fällt nämlich in die Zuständigkeit der Ordnungsämter. "Eine breit angelegte Umfrage hat nun ergeben, dass die Kommunen durchschnittlich 25 Prozent der im Tierheim anfallenden Kosten übernehmen, aber knapp 80 Prozent der Leistungen abrufen", kritisiert Apel.

Im Tierheim Lüneburg zum Beispiel kostet die Fundtierbetreuung jährlich 130.000 Euro, sagt Jan Pless. "Von den Gemeinden bekommen wir zurzeit aber nur 80.000." Was das Tierheim an Spenden zur Überbrückung der Differenz einnehme, seien letztlich "Subventionen für die Staatskasse". Pless macht diese Unterfinanzierung für die schwierige Lage vieler Tierheime verantwortlich. "Wenn die Gemeinden kostendeckende Sätze für Fundtiere bezahlen würden, müssten keine Tierheime schließen."

Das Tierheim Memmingen in Bayern verhandelt darüber gerade mit den umliegenden Gemeinden. Das Ziel ist eine Pauschalregelung: 19 der 32 Gemeinden sind schon eingestiegen und zahlen jetzt 25 Cent pro Einwohner an das Tierheim. "Das ist gut, weil wir mit diesem Geld planen können", erklärt Anja Jochum, die Schatzmeisterin des Tierheims. Noch fehlten dem Tierheim jährlich 50.000 Euro in der Kasse.

"Die Stadt Memmingen steht hinter uns und hat uns einen Sonderzuschuss gewährt, sodass wir über das Jahr kommen", so Jochum. Für die übrigen 13 Gemeinden wird noch jedes Fundtier einzeln abgerechnet. "Und wenn wir in einem Jahr zum Beispiel kein Tier aus der Gemeinde Westerheim aufnehmen, dann zahlen die gar nichts." Jochum hofft, dass in Zukunft noch mehr der 32 Gemeinden einsteigen. Außerdem soll der Pauschalbetrag auf 50 Cent erhöht werden.

Verhandlungen mit den Kommunen

Das Tierheim in Chemnitz bekommt von der Stadt bereits eine Einwohnerpauschale. Das Problem: die Einwohnerzahlen sind rückläufig. "Die von der Stadt glauben, es müsste deshalb auch weniger Tiere geben. Das stimmt aber nicht", sagt der Leiter des dortigen Tierheims, Jens von Lienen.

Die Einnahmen durch die Pauschale seien in den letzten 15 Jahren um 20 Prozent zurückgegangen. Die Anzahl der zu betreuenden Tiere habe sich dagegen erhöht. "Und sie bleiben auch länger. Außerdem sind die Tierarztkosten geradezu explodiert", sagt Jens von Lienen. "Wenn die Gemeinden und Städte die Tierhaltung erlauben und dafür auch zum Beispiel Hundesteuern einnehmen, müssen sie sich auch um die anfallenden Probleme kümmern."

Tierschutzpräsident Wolfgang Apel fordert eine bundeseinheitliche Regelung zur Erstattung von Fundtierkosten. Außerdem ruft er dazu auf, einen dauerhaften Investitionsfonds und einen Nothilfefonds in den öffentlichen Haushalten zu schaffen. Vielerorts seien Investitionen dringend erforderlich. In einer laufenden Umfrage habe der Deutsche Tierschutzbund bei 144 von 530 Tierheimen bereits einen Investitionsbedarf in Höhe von 20,9 Millionen Euro belegt, so Apel.

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2 Kommentare

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  • G
    gary

    @EnzoAduro

     

    1. Menschen Hungern nicht, weil es zu wenig Nahrung gibt, sondern weil die Nahrung sie nicht erreicht. Dies würde sich auch nicht ändern, wenn man die Schlachtnebenprodukte nicht an Katzen verfüttern würde.

     

    2. Die Steuer sollten ja wohl alle Zahlen, die Tiere züchten oder ihr Tiere nicht unfruchtbar machen lassen. Menschen die Tiere aus einem Tierheim aufnehmen auch noch mit eienr Steuer zu strafen, kann keine Lösung für das im Artikel beschriebene Problem sein.

     

    3.Haben Sie sich eigentlich schon jemand gefragt wie ethisch seltsam es ist Menschen mit anderen Tieren zu füttern?

  • E
    EnzoAduro

    Hat sich eigentlich schon jemand gefragt wie ethisch seltsam es ist Tiere, die keiner mehr haben will, mit anderen Tieren zu füttern?

    Also ich will diesen Wahnsinn nicht mit meinen Steuern bezahlen. Da gäbe es sinnvolleres.

    Diejenigen die Tierheime finanzieren tun dies damit dieses irrationale Handeln nach ihren -für mich seltsamen- Maßstäben fortgesetzt wird.

     

    Und wenn das mit Steuern bezahlt wird, dann bitte mit extrasteuern die nur Haustierbesitzer zahlen müssen. Wie einer erhöhten Mehrwertssteuer auf Haustiere oder einer höheren Hundesteuer.

     

    Denn ich habe keine Tiere -und verfütter auch keine Nahrung an Kuschelkätzchen während anderswo MENSCHEN hungern- folgerichtig möchte ich mich auch nicht an der Finanzierung der Kosten wenn die Kätzchenkuschler ihre Katzen nicht mehr kuscheln wollen finanzieren.