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Tiefflieger Airbus

Zum Absturz des „Supervogels“ A 320  ■ K O M M E N T A R E

Die Toten des Absturzes waren kaum identifiziert, da hatte Bangemanns Staatssekretär und Airbus-Lobbyist Erich Riedl (CSU) schon seine Ferndiagnose gestellt: menschliches Versagen. Anderes war von Riedl nicht zu erwarten. Hieße die Unfallursache technisches Versagen, müßte man nämlich den neuen Airbus samt seiner 8.080 Nachfolger, die bis zum Jahr 2006 verkauft werden sollen, in die Schrottpresse stecken. Aber wer steckt schon 200 Milliarden Mark in die Schrottpresse?

Also menschliches Versagen. Aber wie kann ein Mensch versagen, wenn ihn doch der Computer überwacht? „Pilotenfehler sind nicht mehr möglich“, hatte es unisono in den Jubel-Berichten nach den ersten Testflügen des neuen Supervogels geheißen. Das Elektronenhirn halte seine schützende Hand über den fehlerhaften schwachen kleinen Menschen. Getreu dieser Philosophie müßte das Elektronenhirn am Sonntag abend einen Blackout gehabt und einen Pilotenfehler übersehen haben. Vielleicht war aber alles ganz anders, nämlich so, wie der Pilot ausgesagt hat. Der will die Gefahr gesehen und vollen Schub gegeben haben, wobei die Technik nicht reagierte. Spätestens hier stellt sich Gruseln ein: die Vorstellung einer Technik, die nur noch Elektronenhirnen und nicht mehr gesundem (?) Menschenverstand gehorcht, läßt Gänsehäute wachsen. Der Mensch als nutzloses und einflußloses Accessoire im Machtbereich von Chip und Kabel.

Der Absturz des A 320 ist der Absturz der Titanic. Das Superhirn des Airbus, aber auch die Allmachtsphantasien, der Größenwahn und der gegen alle Gegenbeweise resistente Glaube an eine Technik ohne Fehler liegen zerschmettert im elsässischen Wald, zurückgeholt auf den Boden der Tatsachen.

Manfred Kriener

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