■ Thüringer Wurstdesigner geht in die Werbung: Größte gestalterische Potenz
Oschenroda (taz) – Eine Wurst ist eine Wurst und sollte eigentlich auch so schmecken. Erst recht in einem bedeutenden Wurstland wie dem deutschen, der Heimat immerhin von 1.601 qualitätsgeprüften Rohwurstkreationen. Trotzdem stopfen Deutschlands Wurstingenieure in letzter Zeit immer neuere Geschmäcker mit in die Pelle. Das EU-Recht macht's möglich, denn es erlaubt den Wurstereien, ihren Produkten allerhand wurstfremde Ingredienzien wie Obst, Gemüse, Käse und künstliche Aromen beizumengen. So kam unlängst gar eine Frühstückssalami mit Kakao- und Capuccino- Geschmack auf den deutschen Markt, wo sie jedoch floppte.
Veränderungen hingegen, die die Wurstindustrie vermehrt auch der äußeren Form ihrer Produkte angedeihen läßt, werden vom Kunden durchaus goutiert. „Ästhetisierung der Wurst“ nennt das die Branche und verhilft damit einem neuen Beruf zu einer trächtigen Zukunft: dem Wurstdesigner. Der sorgt bei immer mehr Herstellern dafür, daß etwa eine Schweinswurst nicht mehr einfach bloß in einer plastenen Pelle in den Wursttheken landet, sondern in einem schmucken Leinensäckchen mit lustigen Schweinsohren obendrauf. Seine größte gestalterische Potenz aber widmet der deutsche Wurstdesigner den Schnittflächen von Salami und Mortadella. Durch die kunstfertige Vermengung verschiedenfarbiger Wurstgrundmassen kreiert er aus ihnen „regelrechte Kunstwerke“, wie anläßlich der diesjährigen Wurst-Qualitätsprüfung der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Kassel durchaus beifällig vermerkt wurde. So kommt es, daß einem von mancher Salamischeibe ein fröhliches Clownsgesicht oder auch „Billy, das lachende Schwein“ entgegengrient oder aber eine knoblauchgeschwängerte Mettwurst – aufgeschnitten – das Bild einer Knoblauchzehe bietet. In andere Produkte haben Wurstdesigner Frühstücksbretter oder auch Blumenmuster „gemalt“.
Über die bloße Ästhetisierung ihres Aufschnitts noch hinaus geht die Metzgerei Fiedler aus dem ostthüringischen Oschenroda. Sie bietet seit Montag in ihren Verkaufsfilialen eine Mortadella feil, auf deren Schnittflächen ortsansässige Unternehmen für sich werben. Als erste macht eine Bäckerei mit ihrem in die Wurst gestopften Firmennamen sowie dem Slogan „Das Brot zur Wurst – nur bei uns!“ die Wurstesser auf sich aufmerksam. Ein mittelständischer Hersteller von Garagentoren sowie der örtliche „Grieche“ wollen demnächst ebenfalls mit einer Reklame auf die Wurst. Metzgermeister Knops Fiedler (38) beabsichtigt, noch weitere Werbekunden aus Oschenroda und Umgebung für seine Wurstflächen zu akquirieren. Er hofft, seine Reklame-Idee auch überregionalen Markenartiklern schmackhaft machen und entsprechend versilbern zu können. Der Ikea-Schriftzug zum Beispiel seit stopftechnisch für ihn kein Problem. Auch typografisch kompliziertere Markenzeichen wie das Coca-Cola-Emblem würde er wohl auf die Wurst kriegen.
Modelliert und in hoher Stückzahl produziert hat Metzger Fiedler bereits die „Spendenwurst“, eine würzige Pfeffersalami, auf deren Schnittfläche er neben dem Schriftzug „Brot für die Welt“ die Spendenkontonummer der gleichnamigen Hilfsorganisation eingearbeitet hat. Fiedler will mit dieser „humanitären Aktion die Kunden sensibilisieren“ und sie zu Geldspenden für die Hungerhilfe bewegen. Verkauft werden soll die Spendenwurst in der Vorweihnachtszeit, „weil dann die Leute ihre Spendierhosen anhaben“.
Wie sagt der deutsche Volksmund, falls er nicht gerade voll ist? Brot für die Welt. Doch die Wurst bleibt hier. Fritz Tietz
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