Thüringer Verfassungsschutz: "Keine Indianerspiele mehr"
Linkspartei und zivilgesellschaftliche Gruppen fordern die Auflösung der skandalösen Landesbehörde. Doch CDU und FDP wollen nur mehr Transparenz und eine stärkere Kontrolle.
DRESDEN taz | Auflösen, umstrukturieren, schärfer kontrollieren, mit anderen Landesämtern zusammenlegen? Über die Zukunft des Thüringer Verfassungsschutzes gehen die Vorstellungen weit auseinander. Während das Aktionsnetzwerk gegen Rechtsextremismus nach dem Vorbild der DDR-Bürgerrechtsbewegung ein Bürgerkomitee fordert, das die Auflösung des Amtes begleiten soll, halten CDU und FDP den Verfassungsschutz für unverzichtbar. Aber auch sie fordern mehr Transparenz und wirksamere Kontrolle.
Die im Zusammenhang mit der NSU-Terrorzelle bekannt gewordenen Skandale fallen in die Amtszeit des schillernden Verfassungsschutzpräsidenten Helmut Roewer. Die Amtsführung des gegenwärtigen Präsidenten Thomas Sippel gilt hingegen als "ruhig". Doch seit zehn Jahren wird der nach dem damaligen Justizstaatssekretär Karl Heinz Gasser benannte Bericht über die Ära Roewer unter Verschluss gehalten.
Allerdings geht es nicht nur um ein früheres Personalproblem, sondern auch um strukturelle Fragen, räumt der CDU-Politiker Wolfgang Fiedler ein, der der Parlamentarischen Kontrollkommission vorsitzt. Die Führung von V-Leuten, interne Abstimmungen wie auch die Zusammenarbeit mit anderen Behörden müssten dringend verbessert werden.
Und noch etwas sagt er: Bei den gegenwärtigen Ermittlungen verfolge nicht nur das Amt für Verfassungsschutz eine Salamitaktik. Auch ins Innenministerium "komme man nicht rein". Auch dem Ministerium werde nur gesagt, was eben gesagt werden müsse. "Die haben zu berichten", zürnt Fiedler.
Ganz ohne geht es nicht
Im Koalitionsvertrag haben CDU und SPD bereits 2009 eine Novelle des Verfassungsschutzgesetzes vereinbart. Ein Entwurf der SPD liegt vor, der Anfang des neuen Jahres mit der Union abgestimmt werden soll. Er fasst die Befugnisse des Geheimdienstes enger und erweitert die Kontrollrechte der PKK.
"Ganz ohne ein Minimum an Geheimdienstkompetenz geht es nicht", umschreibt Innenpolitiker Dirk Adams die "differenzierte Meinung" seiner bündnisgrünen Fraktion. Er tendiert zum Modell der Linkspartei, das deren Fraktionsvorsitzender Bodo Ramelow wie folgt erläutert: "Als Präsidialamt gehört der Verfassungsschutz aufgelöst." Die "Indianerspiele" dieser Behörde und ihre Neigung, sich über die Polizei zu stellen, müssten beendet werden.
Nach seiner Vorstellung soll das Innenministerium die geheimdienstlichen Teile der Aufgaben übernehmen. Zusätzlich soll eine Informations- und Dokumentationsstelle für Demokratie sowie Menschen- und Bürgerrechte geschaffen werden. Informationen von anderen Behörden, die hier etwa über die Naziszene eingehen, sollten allen zugänglich sein.
Ramelow fordert zwar einen Untersuchungsausschuss zu den Pannen bei der Terroristenfahndung, der Thüringer Landesregierung und der von ihr eingesetzten Schäfer-Kommission bescheinigt er allerdings einen Aufklärungswillen, wie er ihn jahrelang vermisst habe. "Wir belustigen anscheinend zwar die gesamte Bundesrepublik, aber jetzt kommen alle Klamotten auf den Tisch", sagt der Oppositionsführer anerkennend.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos