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Thüringens VerfassungsschutzDer Ex-Chef weiß von nichts

Vor einem Landtags-Untersuchungsausschuss bestreitet der ehemalige Thüringer Verfassungsschutz-Präsident Helmut Roewer, dass der Geheimdienst V-Leute vor Polizeiaktionen gewarnt habe.

Zur Geheimdienstoperation „Rennsteig“ sagte er nichts: Helmut Roewer am Montag in Erfurt. Bild: dapd

ERFURT dpa | Thüringens Ex-Verfassungsschutz-Präsident Helmut Roewer hat den Verdacht zurückgewiesen, dass der Geheimdienst V-Leute vor Polizeiaktionen gewarnt habe. Ihm sei nicht eine einzige Tatsache in dieser Hinsicht bekanntgeworden, sagte er am Montagabend vor dem Neonazi-Untersuchungsausschuss des Landtags in Erfurt. Er habe auch keinen Anlass, irgendjemanden zu verdächtigen. Roewer leitete die Behörde von 1994 bis 2000. Nach Auseinandersetzungen innerhalb des Amtes und andauernden Indiskretionen wurde er suspendiert.

In dem Ausschuss hatten Polizisten zuvor den Verfassungsschutz verdächtigt, Neonazis vor Razzien gewarnt zu haben. In einem Fall habe ein Verdächtiger, der sich später als V-Mann entpuppte, die Beamten um 6.00 Uhr morgens erwartet. Zuvor habe er schon die Festplatte des Computers ausgebaut, berichteten die Polizisten.

Ein anderer Verfassungsschützer stritt am Montag ab, dass das Amt ständig Polizisten und Staatsanwälte zu Ermittlungen abschöpft habe. Der frühere Referatsleiter Rechtsextremismus, Karl Friedrich Schrader, widersprach damit Ermittlern, die turnusmäßige Besuche von Verfassungsschützern beschrieben hatten. Schrader sagte zum damals wichtigsten V-Mann in der Szene, Tino Brandt: „Ich habe mit Verwunderung gelesen, dass gegen Brandt 35 Ermittlungsverfahren gelaufen seien. Das wusste ich nicht.“

Brandt zählte zu den besten Quellen und lieferte Informationen bei der Suche nach dem Neonazi-Trio, die aber in dieser Anhörung kein Thema ist. Beide Verfassungsschützer bezweifelten, dass Brandt wie von ihm behauptet 100.000 Euro Spitzelhonorar tatsächlich in die politische Arbeit gesteckt und damit das von ihm dominierte Neonazi-Netzwerk „Thüringer Heimatschutz“ finanziert habe. „Er war immer klamm bei Kasse“, sagte Schrader.

Roewer: Kein Kontakt zu V-Mann Brandt

Roewer sagte, er habe keinen Kontakt zu Brandt gehabt und sich nicht in die Arbeit des zuständigen Referats eingemischt. Er nannte keine Zahl der V-Leute. Der für V-Mann-Werbung zuständige Mitarbeiter hatte für die 90er Jahre von drei in der rechtsextremistischen Szene gesprochen. Nach Angaben des Innenministeriums von März schöpfte das Amt 1999 und 2000 noch eine weitere Quelle im „Heimatschutz“ ab.

Rechtsextremismus sei bereits vor 1994 ein Problem in Thüringen gewesen, sagte Roewer. Danach habe sich die Szene radikalisiert. „Die ursprüngliche Hypothese, nur doof und stark und arbeitslos, stimmte spätestens ab 1996 nicht mehr.“ Das Neonazi-Netzwerk „Thüringer Heimatschutz“ bezeichnete er dabei als die „militanteste“ Vereinigung in der Szene. Deshalb habe sein Amt im Mai 2000 mit einer fertig vorformulierten Erklärung beim Innenministerium ein Verbot angeregt. Das Ministerium habe darauf nicht reagiert. Zum "Heimatschutz" gehörte auch die „Kameradschaft Jena“ mit den drei Mitgliedern der späteren NSU-Terrorzelle.

Roewer machte keine Angaben zur Geheimdienstoperation „Rennsteig“, über deren Aufarbeitung jetzt die Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und des Thüringer Amtes gestürzt waren. „Da muss ich passen“, sagte er. Auch der Referatsleiter und der V-Mann-Werber bestritten, von der Aktion zwischen 1997 bis 2003 gehört zu haben. Dabei hatten mehrere Dienste einschließlich des Thüringer Amtes unter Führung des Bundesamtes mindestens acht V-Leute in Thüringen geworben, um Informationen über den„ Heimatschutz“ zu gewinnen.

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4 Kommentare

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  • C
    Celsus

    Da besteht der Verfassugnsschutz von Thüringen darauf keinerlei Informationen zu Straftaten von V-Leuten "abgeschöpft" zu haben? Die CDU hat da keine Profis in hohe Funktionen gebracht. Allein schon Straftaten mit politischem Hintergrund wären doch turnusgemäß einzuholen gewesen.

     

    Und ein derart flächenhafter Fehler ist dem Innenminister nicht aufgefallen? Keine Nachfrage? Wir sind Minister mit Anfängerlehrbüchern ja bei der CDU genau so wie bei der FDP gewohnt. Ist doch mal eine rühmliche Ausnahme, wenn die jemandem einstellen, der in einem einschlägigen Fach mit summa cum laude promoviert hat.

  • JG
    Jürgen G. Gmell

    Das Vorstrafenregister seiner Spitzel sei ihm nicht bekannt gewesen, sagte also der *frühere* Referatsleiter Rechtsextremismus vor dem UA, während der *jetzige* die Anweisung zur Aktenvernichtung gab. Das vielleicht nur noch zur Erhellung für die, welche das nicht als ihr Hauptthema ansehen und nicht im UA dabei waren.

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    In der von manchen als "Hetzsendung" angesehenen ZDF-Frontal21-Reihe drückte sich der alte Ex-LfV-Chef sehr gewunden aus, als es um den Waffenkauf der Nazis geht, von dem sie nichts bemerkt hätten:

    ab Minute 10 geht es da auch um 100.000 EUR, die nicht geeignet gewesen seien, um eine Org aufzubauen.

     

    Quelle:

    http://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite#/beitrag/video/1671790/Brauner-Terror---Blinder-Staat

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    Vielleicht sollte sich einmal der US-Psychologe Paul Ekman, der laut 3sat-Bericht "der beste menschliche Lügendetektor der Welt" (Mikromimik) sein soll, die Mimik des Befragten bei seiner Antwort auf den Waffenkauf des Zwickauer Nazi-Trios anschauen, von dem Roewers Behörde angeblich auch "nichts mitbekommen" haben will.

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    Leider mangelt es aber Ekman wohl an den Feinheiten der deutschen Sprache, um das wohlüberlegte u. äußerst wachsame verbale Rumgeeiere noch als zusätzlichen Hinweis addieren zu können. Die "Ähs" werden ihm nicht genügen u. auch das deutsche Wort vom "Lügenbold" nichts sagen. (Min. 10 ca. bei untenstehender Quelle)

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    Da ich ohnehin meine, dass zu Ekmans Mikromimik auch die Worte selbst - auch wenn sie einen erlogenen Inhalt abbilden - eine große Wichtigkeit zur Bewertung von Wahrheit oder Lüge haben, ist das aber wohl sinnlos. Auch angesichts der Tatsache, dass die Amis sicherlich in D auch manches gar nicht wissen wollten, auch wenn sie es wussten, etwa in derselben Verlogenheit, wie sie von der israel. Atombombe nichts wussten, weil sie übereingekommen waren, nicht danach zu fragen und die deutschen Dienste so wohl auch so lange von den Geheimgefängnissen "nichts wussten", wie es ihnen nützte ...

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    Also nur ganz nebenbei, was war das denn nun mit den sechs Frauen? Hat das der U-Ausschuss nachgefragt? Denn da das ja nun wiederum im Amt war, war es gewiss auch amtlich und nicht privat.

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    Aber da Roewer ein Westdeutscher ist, der nun auch weiß, wie manche andere mit Macht mit Leuten umgehen, die sie in irgendeinem Verdacht haben: könnte es sich da nicht auch um eine Weihnachtsfeier im kleinen Erzgebirgskreis gehandelt haben, seine Töchter bzw. Enkelinnen zu Gast ...?

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    Vielleicht war auch der Herr Kollege, der da - ohne anzuklopfen?!? - hereinplatzte, so geschockt über die Kerzenlicht-Szenerie, dass er in Schockstarre mit Tunnelblick die *Geburtstagstorte!* in der Ecke gar nicht wahrgenommen hat!

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    Muss man doch Verständnis für haben, dass die Kerzen auf dem Schreibtisch benötigt wurden, denn sicherlich wollte der ja noch nicht einmal bei solchen Gelegenheiten das Arbeiten nicht ganz einstellen.

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    Vielleicht sollte der Beamte ja auch bloß auf seine Loyalität und Reaktionsschnelle getestet werden, weil er als Special Agent an den Thüringer HotSpots eingesetzt werden sollte, oder der BND ihn für seine Haremswächter-Einsätze abwerben wollte. Da muss man schon geeignet sein für und wer in den inner circle vorstoßen, bzw. eindringen will ... Da soll es in vielen Geheimbünden und -gesellschaften ganz ultrageheime und manchmal auch recht "skurrile" Aufnahme-Riten geben ...

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    Also bitte, Leute, es kommt natürlich auch darauf an, ich meine auf das Alter der Damen. Denn wenn es sich um ältere Semester gehandelt haben mag, dann hat das schon einen anderen Anstrich. Dann war es womöglich eine Seance, eine Geisterbeschwörung gewesen, um in verzweifelter Lage wenigstens von diesen Hinweise und "Jibt uns ein Zeischen ...!" zu bekommen. - Wo die braunen "Quellen", sich als ziemlich morastiger Sumpf erwiesen hatten, der von zuviel Staatskohle, Bier, Schnaps und anderen Drogen wohl zu matschig und glitschig für eine Begehung geworden war.

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    Aber, sieht man die Intrigantenstadel in anderen Bundesländern an, wo sich nun der angebliche "Bayern-Trojaner" doch als DigiTask-Bundestrojaner entpuppt hat, könnte es sich für die ganz unbelehrbaren Verschwörungstheoretiker und -Praktiker u. U. auch um eine Art Honey Trap der Stasi für Notfälle gehandelt haben, um den Präsi vor dem U-Ausschuss in einem schlechten Licht darstehen zu lassen.

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    Na, vielleicht waren es aber auch wirklich nur ein paar Huren, die ihm irgendein "befreundeter" Puffbesitzer spendiert hat, weil der ihn vom Verdacht befreit hatte, ein gefährlicher Linksradikaler zu sein, nur weil er mal im Rausch "Mu-sik heilt!", oder "Heilt Hitler!", oder sowas ähnlich Wirres gerufen hatte.

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    Wozu allerdings dann der Käse gut sein sollte, wo doch Wein genügt hätte ... - Ach ja, mit Käse fängt man Mäuse! - No dann ist doch alles kloar, ne, das wor nur der Kammerjäger, verkleidet als sechs Sex-Frauen, die doch wussten, wie sehr Roewer das liebte, mal mit Pickelhaube auf Veranstaltungen oder Dreispitz oder barfuß im Amt, ein lustier Geselle halt, alles halb so wild. - Mensch, und wir dachten schon ...

  • D
    Detlev

    Wenn es um Mord geht, darf die Justiz notfalls auch einen ex-Verfassungsschutz-Chef unter Druck setzen. Meiner Meinung nach ignoriert dieser Helmut Roewer, dass es hier um getötete Menschen geht, normale Menschen, und der Staat hat die Pflicht, alles restlos auszuklären. Seine Aussage ist nichts anderes als eine Verteidigungslinie und damit Verdunkelung der wirklichen Ereignisse.

  • E
    Eulenspiegel

    Was für armselige Wichte!Die werden auch noch gut bezahlt für ihren Mist, den sie fabrizieren.