piwik no script img

Thüringens Ministerpräsidentin"Es gibt ein Performance-Problem"

Zu viele Debatten, zu wenige konkrete Pläne. So in etwa fasst Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) die Arbeit von Schwarz-Gelb im Bund zusammen.

"Die Politik hat große Worte in die Welt gesetzt und kann sie jetzt nicht ganz halten", so die Kritik von Christine Lieberknecht. Bild: AP
Interview von Steffi Dobmeier

taz: Frau Lieberknecht, in Thüringen läuft es ja ganz gut mit der Großen Koalition. Die SPD ist zufrieden mit Ihnen...

Christine Lieberknecht: ...und wir eigentlich auch mit der SPD.

Wäre eine Große Koalition auch eine Alternative zu dem Gemurkse von Schwarz-Gelb im Bund?

Das Wort Gemurkse teile ich überhaupt nicht. Ich finde, dass die Koalition alle Erwartungen übertroffen hat.

Wie bitte? Aber am Thema Steuern zerreibt sich doch die schwarz-gelbe Regierungskoalition.

Es gibt ein Performance-Problem. Die Kollegen lassen sich zu viel auf Debatten ein, ohne sie in der Gesamtchoreographie durchdacht zu haben. In der Steuerdebatte werden Stichworte öffentlich gesetzt, ohne dass sie inhaltlich untersetzt sind. So lange es kein klares Konzept gibt, etwa darüber um welches Steuervolumen es gehen soll, werden Sie immer einen mehrstimmigen Chor haben.

Haben Sie eine Idee, wie die Steuerdebatte ausgehen wird?

Es gibt die Vereinbarung zu Entlastungen, die allerdings nicht sehr groß sein werden. Es geht um etwa 80 Euro Entlastung für eine vierköpfige Familie pro Jahr, wenn man die aktuellen Zahlen als Basis nimmt. Das ist nicht viel. Deshalb sind viele Bürger so verunsichert. Genau das ist das Problem: Die Politik hat große Worte in die Welt gesetzt und kann sie jetzt nicht ganz halten. Wenn man nur die kalte Progression hätte abschaffen wollen – das hätte man auch als einen mehr oder weniger technischen Vorgang an eines der Jahressteuergesetze anhängen können. Dazu hätte es diese ganze Aufregung nicht gebraucht.

CHRISTINE LIEBERKNECHT

53, ist seit knapp zwei Jahren Ministerpräsidentin in Thüringen - als erste CDU-Politikerin an der Spitze eines Bundeslandes. Sie ist evangelische Theologin und ehemalige Bürgerrechtlerin.

Wie stehen Sie zu Steuerentlastungen?

Wir haben in Thüringen die klare Vereinbarung, dass wir keiner Steuerentlastung zustimmen, die zu Lasten des Landes geht. Zur Gesamtbetrachtung gehört aber auch, dass es Steuern gibt, die zuerst das Land belasten, dann aber auf lange Sicht hin viel Geld in die Landeskasse spülen. Zum Beispiel das Wachstumsbeschleunigungsgesetz. Zu Beginn war ich dagegen – aber jetzt sehe ich beim Wirtschaftswachstum, dass wir ein Mehrfaches an Steuereinnahmen in den Landeskassen haben, als wir ursprünglich eingebüßt hatten.

Wird sich die Bundesregierung an dem Thema aufreiben?

Nein, die Kollegen werden nach den ganzen Debatten auch wieder in der Realpolitik ankommen.

Es gibt ein neues strittiges Thema im Bund: Baden-Württemberg plant einen neuen Vorstoß einer doppelten Staatsbürgerschaft. Für eine Mehrheit von SPD und Grünen reicht es im Bundesrat nicht – Baden-Württemberg braucht also die Hilfe, unter anderem auch von Thüringen.

Es gibt ein ganz reguläres Verfahren. Baden-Württemberg wird diesen Antrag einbringen, er geht anschließend ganz regulär in die Ausschüsse - dann werden wir uns das in Thüringen anschauen.

Und zu welchem Ergebnis werden Sie wohl kommen?

Das kann ich Ihnen jetzt noch nicht sagen. Der Antrag kam, als wir in Thüringen schon in der Sommerpause waren, wir haben noch nicht darüber gesprochen im Kabinett.

Also ein Sommerlochthema von Grün-Rot in Stuttgart?

Naja, zumindest ist es so, dass das Kabinett in Baden-Württemberg getagt hat, als wir in Thüringen schon Urlaub hatten. Damit haben die Kollegen in Stuttgart sehr große Aufmerksamkeit für sich erhalten. Das war wohl von den Antragstellern auch so gewollt.

Wie gesagt: Ein Sommerlochthema?

Ich will das nicht weiter qualifizieren, ich will nur den objektiven Fakt beschreiben: Der Vorstoß kam zu einem Zeitpunkt, als andere Kabinette schon Sommerpause hatten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

5 Kommentare

 / 
  • R
    Reutlinger

    Ein Performance Problem, so nennt man das im Computerbereich wenn ein Programm trotz guter Hardware schlecht läuft oder bestimmte Hardware nicht genug leistung fürs Geld erbringt.

     

    Kann man sehr gut auf die Bundesregierung übertragen in den letzten 2 Jahren hat man eigentlich nur Scheiß von Schwarz-Gelb gesehen. Ergo wir zahlen zu viel für zu Wenig Leistung. Wir brauchen keine Regierung die nur Klientelpolitik macht sondern Politik für das Volk.

  • VR
    Volker Rockel

    Ich würde es eher so sehen wollen: "Zu viele low-performer in der Regierung Merkel, generieren immer weniger gute Politik für dieses unser Land!"

  • S
    Slobo

    "Das Wort Gemurkse teile ich überhaupt nicht. Ich finde, dass die Koalition alle Erwartungen übertroffen hat."

     

    "Wie bitte?" Sehr schön nachgehakt. Ich finde der Begriff "Gemurkse" beschreibt die Handlungen der Regierung sehr gut.

  • F
    faxklax@web.de

    @ von jps-mm

     

    Von was redest Du eigentlich?

    Welche schwersten Menschenrechtsverletzungen

    meinst Du denn? Leben wir hier im selben Land?

    Was ist 2008/9/10 so schlimmes hier passiert?

     

    Werde einfach einmal etwas genauer.

  • J
    jps-mm

    Penetrantes Schweigen über Menschenrechtsverletzungen

     

    Seit 2005 täuscht die Merkel darüber hinweg, dass die Verletzung von Bürgerrechten schwerster Art unverändert fortgesetzt wird. Dazu kommt, dass die Merkel die dafür verantwortlichen Rechtsbrecher deckt, damit diese die Bürger- und Menschenrechtsverletzungen weiterhin ungestört fortsetzen können. Schlimmer noch: Die Situation der Menschenrechte hat sich seit ihrem Amtsantritt drastisch verschlechtert. Und die Merkel blinzelt den Journalisten zu.

     

    Ein Unrechtsstaat ist dadurch gekennzeichnet, dass die Verletzung von Bürgerrechten schwerster Art über einen längeren Zeitraum mit Duldung, wenn nicht sogar mit Billigung staatlicher Stellen fortgesetzt wird, die strafrechtliche und disziplinarrechtliche Sanktionierung der Rechtsbrecher durch Staatsanwaltschaft und Gerichte systematisch verschleppt und behindert wird und das Parlament (wie auch die öffentlichen Medien) sich über die Bürger- und Menschenrechtsverletzungen schwerster Art und die dafür verantwortlichen Rechtsbrecher ausschweigen.

     

    In Anbetracht dieser Feststellungen ist es nicht weiter verwunderlich, dass die UN-Kommission für Menschenrechte den Bericht der Merkel über die Menschenrechtslage in Deutschland als "beschönigt" bezeichnet. Mittlerweile muss die Merkel deswegen schon bei jedem Treffen über die schwierige Menschenrechtslage in Deutschland Auskunft geben.

     

    Und wann kommt der Autor dieses Artikels endlich seiner journalistischen Berichtspflicht nach?