: Think Tank der Wirtschaftsreform
Der verbale Frontalangriff der Parteiführung gegen das Zentrum für Amerika-Studien (CEA) in Havanna ist nicht zufällig: Das CEA symbolisiert die begrenzten intellektuellen Freiräume, die in Kubas akademischem Establishment in den letzten Jahren entstanden waren.
Mit einer jüngeren Wissenschaftlergruppe um den Vizedirektor Julio Carranza wurde das CEA zum profiliertesten Think Tank der Wirtschaftsreformen in Kuba. Hier wurde die Zulassung der Bauernmärkte schon geplant, als Castro selbst dies noch als kapitalistisches Teufelszeug verwarf. Bereits 1992 hatte ein Aufsatz Carranzas Aufsehen erregt1. Darin hatte er Kubas tiefe Krise so realistisch bilanziert, wie es bis dahin als Defätismus galt. Nach sechs Monaten parteiinternen Streits konnte der Artikel erscheinen.
Für Furure sorgte in Kuba auch ein Buch, das Carranza vor wenigen Monaten zusammen mit zwei weiteren CEA-Mitarbeitern in Havanna vorstellte. „Kuba. Der Umbau der Wirtschaft“, so der Titel, geht noch sehr viel weiter. Es ist das erste Gesamtkonzept einer wirtschaftlichen Reformstrategie, das überhaupt in Kuba erschienen ist.
Das Erscheinen des 200 Seiten starken Bändchens verzögerte sich monatelang – und nicht aus technischen oder materiellen Problemen –, und als es dann gedruckt war, waren schon am Abend seiner Vorstellung alle Exemplare vergriffen, die für den Verkauf gegen kubanische Pesos vorgesehen waren – seitdem gab's die Studie nur noch gegen harte Währung im Dollarshop. Für die Autoren ist das freilich nicht ohne Ironie: Einer ihrer zentralen Kritikpunkte ist just Dollarisierungsstrategie der Regierung, die die Insel-Ökonomie kraß in Dollar- und Peso- Welten trennt.
1 Auf deutsch in: Bert Hoffmann (Hg.): „Wirtschaftsreformen in Kuba. Konturen einer Debatte“.
2 überarb. Neuauflage, Frankfurt/M. 1996.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen