■ Nachgefragt: Therapien für Täter
Das Forum für angewandte Sexualwissenschaft in Bremen bietet Therapien für Täter an. Der Psychotherapeut und Sozialwissenschaftler Alfred Surburg hat bereits rund ein Dutzend Exhibitionisten behandelt.
taz: Es heißt ja immer, Exhibitionisten sind harmlos, die vergewaltigen nicht.
Alfred Surburg: Harmlos in dem Sinn, daß sie keine direkte Gewalt ausüben, aber im psychischen Sinne ist schon ein Gewaltmoment dabei. Beim Exhibitionisten steckt ja auch ein Stück narzistischer Wut dahinter, die durchaus beim Empfänger ankommt und was auslöst.
Wieso exhibiert sich einer?
Grundsätzlich hat er sicher ein Selbstwertproblem: Die Mutter und der Vater haben dem Kind nicht die nötige Einfühlung entgegengebracht. Oft war der Vater auch sehr bedrohlich.
Und was hat der Mann davon, öffentlich zu onanieren?
Er versucht, mit dieser Inszenierung Triebspannungen zu lösen – differenzierte Bedürfnisse, wie sie ein Erwachsener eigentlich hat, hat er ja nie entwickeln können.
Sagt er sich, jetzt muß mich endlich mal jemand richtig angucken, oder will er jemanden das Fürchten lehren?
Das Erschrecken scheint mit eine Rolle zu spielen, weil er da der Mächtige ist. Da spürt er die Ohnmacht, die er als kleines Kind hatte, nicht. Mit der Exhibition versucht er außerdem, eine Beziehung aufzunehmen – eben auf eine sehr entfremdete Weise. Daran sieht man schon diese Hilflosigkeit, eine angemessene Beziehung aufzubauen.
Was machen Sie in der Therapie mit einem Exhibitionisten?
Wir arbeiten daran, mit ihm eine differenzierte Bedürfnisstruktur aufzubauen. So daß er für sich selbst bemerkt, da fehlt mir was.
Diese Leute sind ja oft sehr hilflos in dieser Richtung. Sie kennen ihre Bedürfnisse gar nicht, weil sie nicht so weit haben reifen können. Da ist immer nur eine Spannung, eine gewisse Unruhe, aber darüber fehlt einiges. Beim Exhibieren geht es ja viel weniger um Sexualität im genitalen Sinne als um ganz grundlegende Bedürfnisse oraler Art oder des Angenommenseins.
Sind Sie mit Ihren Therapien erfolgreich?
Ich denke schon. Das ist eben eine langwierige Behandlung, drei Jahre, es kann aber auch länger dauern. Das sind ja nicht wie bei Vergewaltigern ein- oder zweimalige Geschichten, sondern sehr häufig ein eingeschliffenes Verhaltensmuster.
Fragen: Christine Holch
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