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Theo Waigel verteidigt den sozialen Kahlschlag

■ Haushaltsdebatte im Deutschen Bundestag / Finanzminister will Konsolidierung fortsetzen / SPD wirft Regierung Sparen auf Kosten der Kleinen vor

Bonn (AP/taz) – Bundesfinanzminister Theo Waigel hat die Kürzungen im Sozialbereich gegen die Kritik der SPD-Opposition verteidigt. Zum Auftakt der Haushaltsdebatte des Bundestags sagte der CSU-Vorsitzende gestern in Bonn, bei den eingesparten 16 Milliarden Mark handele es sich um lediglich 1,5 Prozent aller Sozialleistungen. Würde man den Empfehlungen der SPD folgen, ginge das Sozialsystem in Konkurs.

Waigel wies SPD-Anschuldigungen zurück, die Koalition schaffe mit ihrer Konsolidierungspolitik eine soziale Schieflage oder reiße eine Gerechtigkeitslücke auf. Es müsse berücksichtigt werden, daß in der Vergangenheit zu Lasten der Besserverdienenden Steuervergünstigungen für 38 Milliarden Mark abgebaut wurden. Die SPD betreibe ein „lächerliches Ritual“, wenn sie intern zwar zugebe, daß gekürzt werden müsse, vor den Fernsehkameras aber auf Finanzminister und Koalition einprügele.

Waigel nahm die Treuhandanstalt gegen Vorwürfe in Schutz. Er forderte die SPD auf, ihren geplanten Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Treuhand noch einmal zu überdenken. Angesichts der wirtschaftlichen Lage in den neuen Ländern gebe es Wichtigeres zu tun, als sich mit einem „überflüssigen“ Treuhand-Untersuchungsausschuß zu beschäftigten, so der Minister.

Die SPD warf der Bundesregierung vor, mit den geplanten Kürzungen im Sozialbereich vor allem auf Kosten der Geringverdienenden und der Frauen zu sparen. Das Sparpaket sei „sozial ungerecht und ökonomisch unvernünftig“, erklärte die Finanzexpertin der Bundestagsfraktion, Ingrid Matthäus-Maier. Auf der anderen Seite gebe der Staat Milliarden für unnötige Dinge wie zum Beispiel den Jäger 90 aus.

Mit den neuen Kürzungen würden die Arbeitgeber gegen die Arbeitnehmer, die Arbeitsplatzbesitzer gegen die Arbeitslosen, die Ostdeutschen gegen die Westdeutschen und die Niedrigverdiener gegen die Sozialhilfeempfänger ausgespielt, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Matthäus-Maier forderte unter anderem ein Zukunftsinvestitions- Programm für den Aufbau in den neuen Bundesländern. Dazu gehöre die Neuauflage der Investitionspauschale. Anstelle von Kürzungen im Hochschulbau sollte nach Ansicht der Abgeordneten mehr in Bildung und Ausbildung als wichtige Standortfaktoren investiert werden. Statt einer Verlängerung der Arbeitszeit sollten vielmehr die Maschinenlaufzeiten verlängert werden. Angesichts von fünf Millionen Arbeitssuchenden würden längere Arbeitszeiten nur die Beschäftigungslosigkeit erhöhen.

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