Themenläden und andere Clubs: Stars und Strips
■ Eine Geschichte über eine riesengroße Bar, die „Las Vegas“ heißt
Es gibt eine Bar, die ist so groß wie eine ganze Stadt und hat 24 Stunden geöffnet. Sie heißt Las Vegas und funkelt wie die hingewürfelten Klötzchen eines anonymen spielsüchtigen Gottes mitten in der Wüste von Nevada. Hier kippt in jeder heruntergekommenen 60er-Jahre-Hotelhalle in Downtown Dean Martin Schnaps und raucht Kette, hier sitzt in jedem Cabrio Privatdetektiv Dan Tenner, und hier stehen abends Hunter S. Thompson und Nicolas Cage weggetreten unter dem künstlichem Himmel im Circus Circus.
Tom Jones tritt auf, er hat zu Anfang seines Konzerts im MGM Grand leichte Atemnot, aber als er sein Hemd öffnet und die graue Stahlwolle herauslugen lässt, klappt ungelogen plötzlich auch der Schrei zur Eröffnung von „If I only knew“.
Die 100-jährigen „fruitcakes“ im Publikum sind außer sich über den sexy Opa, lassen die Strassohrringe baumeln und zittern noch stärker als sowieso unter ihren aufgetufften Perücken. Tom Jones sei für seine Mutter „the hottest piece of walking flesh on Gods green earth“ gewesen, erklärt meine kanadische Reisebegleitung, und ich überlege, ob ich doch meinen BH schmeißen soll, zumindest bei „What's new pussycat?“. Aber ich will ja noch weiter ausgehen. Die slot machines heißen „Filthy Rich“, und bei manchen reicht ein Cent als Spieleinsatz. An einem der Boulevards, die von der Autobahn zum Strip führen, steht jeden Tag ein in Wollfetzen gehüllter Bettler mit zwei Hunden und bettelt oder trampt oder beides. Der Taxifahrer erzählt, dass er ihn schon seit Jahren kennt und ihn manchmal mitnimmt. Und dass der Bettler immer nur vom Spielen erzählt, wie viel er wo verloren oder gewonnen habe.
Weil am Tag die Wüstenhöllenhitze kaum auszuhalten ist, sitzt man mittags im Jacuzzi eines der vielen künstlichen Pool-areas der Hotels und wartet auf das Bikinimädchen mit Ananasfrisur, das ab 12 Uhr herumschleicht und „Cocktails? Anyone for Cocktails?“ flötet.
Ein Erdbeer-Margherita für 99 Cents, beim Spielen sind die Getränke umsonst. Auch das Essen ist in der riesengroßen Bar billig, alles ist frittiert, sogar Müsli und Mineralwasser triefen. In unserem Hotel wird den ganzen Tag Karneval in Rio gegeben, auf unter der Decke hängenden, bunten Schiffen zeigen knackige Mädchen und Jungen ihre Implantate in Brust und Mund und wackeln mit den Hüften zu ohrenbetäubenden, südamerikanischen Rhythmen. Meine Reisebegleitung kriegt am zweiten Tag Hausverbot in Cesar's Palace, er hat eine der lächelnden Bedienungen in knapper Toga betrunken eine „bekloppte Mormonenzicke“ genannt und sie damit fast zum Weinen gebracht: „Bei der Religion“, schluchzt sie, „hört der Spaß auf.“ Humor hat man ohnehin nicht in der Las-Vegas-Bar.
Bei Toys 'R' Us, einem großen Spielzeugladen, in dem ich mich mit Teletubbies-Devotionalien eindecke, fragt die Kassiererin jeden Kunden nach seiner Telefonnummer, um sie für Werbezwecke zu speichern. Als sie mich fragt, sage ich „Wieso? Willst du mit mir ausgehen?“ Sie verzieht keine Miene.
Wie in den USA üblich, tragen die Dienstleistenden kleine Ansteckschilder mit ihrem Namen. Hier in Las Vegas steht aber nur der Vorname drauf und dann der Staat, aus dem sie kommen. „Jane Pennsylvania“ oder „Peter New York“. Schreckliche Vorstellung, so was in Deutschland einzuführen. „Anja Vechta“ oder „Jenni Osnabrück“!? Ich glaube, ich würde lügen beim Einstellungsgespräch.
Jenni Zylka
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