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So ein Brathähnchen kann einem den ganzen Abend verderben

Auf keinen Fall schwach werden, holt euch kein Brathähnchen beim nächsten Imbiss. Das geht nicht gut aus! Ich spreche aus Erfahrung. Gestern ist mir nämlich leider dieser Fehler unterlaufen und ich habe mir geschworen: „Das passiert dir nie wieder!“ Für den kurzen Genuss ist der Preis, den man anschließend dafür zahlen muss, einfach zu hoch. Es ist kaum zu beschreiben, wie schlecht es mir gestern ging.

Der ganze Albtraum fing damit an, dass ich gegen zehn Uhr morgens, fatalerweise, riesige Lust auf Brathähnchen bekam. Den ganzen Tag konnte ich an nichts anderes mehr denken als an Brathähnchen. Immer wieder habe ich versucht, mich von meinem Verlangen abzubringen, und mir gesagt: „Nein, du gehst jetzt nicht los! Du besorgst dir kein Brathähnchen! Das ist bestimmt schlecht und dann musst du dich übergeben!“ Bei diesen Grillhähnchen weiß man ja nie, wie lange die sich in den Glaskästen schon um die eigene Achse drehen.

Schlendert man spät nachts durch die Straßen von Berlin, fällt einem sofort auf, wie viele fertig gegrillte Hähnchen braun gebrannt auf den nächsten Morgen warten, um noch einmal warm gemacht zu werden. Ich möchte gar nicht wissen, wie viele Bakterien sich über Nacht in so einem Hähnchenkörper bilden können. Garantiert genug, um einen so richtig aus den Pantoffeln zu hauen. Pfui Teufel!

Kurzzeitig lenkte mich diese Wahnvorstellung von meiner Gier ab, und ich konnte mich kurz wieder meinen alltäglichen Aufgaben widmen. Aber sobald das Bild vom grün angelaufenen Broiler verblasst war, tauchte das frische, knusprige Brathähnchen wieder auf, und das Wasser floss mir im Mund zusammen. Um siebzehn Uhr war ich mit meiner Kraft am Ende. Ich konnte mich nicht länger gegen das gegrillte Hähnchen in meinem Kopf zur Wehr setzen. Der Kampf war verloren. „Zum nächsten Imbiss, bitte!“

Jetzt gab es kein Zurück mehr. Ich saß hinten im Taxi fest und traute mich nicht, den Fahrer zu bitten, umzukehren. „Ein Brathähnchen, bitte!“ Im Taxi breitete sich der Duft von Festagsschmaus aus, auf meinen Knien lag das Hähnchen in der Alutüte, und ab ging es nach Hause. Im Flur riss ich die Tüte auf, auf dem Weg zur Küche stopfte ich mir das erste Bein in den Mund und nach einer Viertelstunde war das Vieh weg. Vor mir, in der zerfetzten Tüte, lagen die abgenagten Knochen, mein Magen schnürte sich zusammen, meine Hände zitterten, und in meinem Kopf war nur noch Watte.

„Hoffentlich war das Brathähnchen nicht schlecht!“ Und schon erfüllte mich unglaubliche Panik. „Ich will keine Fleischvergiftung haben!“ So saß ich bis zwanzig Uhr bewegungsunfähig auf dem Sofa und wartete auf die große Übelkeit. Aber sie kam nicht. Sosehr ich mich auch auf das, was da in meinem Magen verarbeitet wurde, konzentrierte, ich merkte nichts. „Vielleicht wird einem erst nach zehn Stunden übel! Bestimmt geht es mir heute Nacht so schlecht, dass mir keiner mehr helfen kann!“ Und schon spielte ich mit dem Gedanken, ins Krankenhaus zu fahren, um mir den Magen auspumpen zu lassen. „Oder ich warte lieber noch ein bisschen!“, beschloss ich und harrte der Dinge, die da kommen mochten.

Um Mitternacht bin ich dann endlich erschöpft eingeschlafen und habe mir noch schnell geschworen: „Das passiert dir nie wieder!“ So ein Brathähnchen vom Imbiss kann einem den ganzen Tag verderben, auch wenn man sich nicht übergeben muss.

Alexa Hennig von Lange

Alexa Hennig von Lange ist Schriftstellerin und lebt in Berlin. Ihr Roman „Ich bin’s“ ist bei Rogner & Bernhard erschienen.

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