Theatertipps für Berlin: Nicht alles Zucker
Fluide Woche: Datenmüll statt Tonbänder, Zucker vs. Ego, Vorführungen speziell für Singles und das internationale Videotanzprojekt „next…“.
D ie Geschichte vom alten Mann, der sich im Dialog mit seinen tagebuchähnlichen Tonbandaufzeichungen an sein Leben erinnert, gehört zu den Theaterklassikern des 20. Jahrhunderts: „Krapp’s Last Tape“ von Samuel Beckett. Das 1958 uraufgeführte Stück ist inzwischen von der Technik überholt. Statt aus Tonbändern (oder Fotos) bestehen die Dokumente unseres Lebens längst aus einer schier unüberschaubaren Masse von Datenmüll, die wir selbst in den virtuellen Galaxien der Sozialen Medien oder sonst wo verbreitet haben.
Die Frage, was unser Leben war und ist, und wie wir uns daran erinnern können, ist geblieben. Im Theater im Delphi hat sich die Theatermacherin Kirsten Burger das alte Beckett-Stück vorgenommen und mit Material aus dem Nachlass des Schauspielers Wolfgang Ladengast zu einer Zirkus-Theater-Performance gesampelt. Ladengast, der von 1899 bis 1980 lebte, war ein auf Nebenrollen spezialisierter Schauspieler von größter Eigenart, der Rollen wie den Vampirjäger Van Helsing in Werner Herzogs „Nosferatu“ spielte. In „Das letzte Band an dem ich hänge“ wird der neu gedachte alte Krapp nun von der nichtbinären Performer:in Cora Frost gespielt (ab 6. August, 20 Uhr).
Das fluide, geheimnisvolle Leben ist auch Gegenstand von „Fluid Life“, einer interdisziplinären Performance aus Tanz, Akrobatik, Worten und Zucker von Lea Hoffmann und Joana Bassi, die am 7.8. im Acker Stadt Palast herauskommt. „Fluid Life“ will zeigen, „wie wir ständig unser Ego mit Zucker füttern. Ein schneller Kick, ein High, doch Leere und Unzufriedenheit im Anschluss. Zucker und soziale Medien werden hier zusammengeführt – als Suchtmittel, das uns gleichzeitig unterhält und kontrolliert“, wie auf der Webseite versprochen wird (Termine: 7. + 8. August, jeweils 20 Uhr).
Singles und die Liebe zum Theater
Der taz plan erscheint auf taz.de/tazplan und immer Mittwochs und Freitags in der Printausgabe der taz.
Die Vorstellung am 7. August ist besonders für Singles gedacht, denn im Anschluss gibt’s das Programm „Singles & Theater Lovers: Die Kunst der Verführung“ von Theaterscoutings Berlin. Mit diesem Format sollen insbesondere Singles die Gelegenheit bekommen, ausgewählte Produktionen der freien Tanz- und Theaterszene zu besuchen und dabei andere kulturinteressierte Zuschauer:innen kennen zu lernen. Im Anschluss an die jeweiligen Vorstellungen werden Singles miteinander spielend in ein von Katharina von Wilcke moderiertes Gespräch gebracht und können sich über Kunst, Leben und Liebe austauschen (Info: www.theaterscoutings-berlin.de).
Fragen, was ein Gegenüber an mir interessieren könnte, beschäftigen auch das Videotanzprojekt „next … “ von Janne Gregor, das am 7. August im Radialsystem uraufgeführt wird. Sechs Tänzer:innen aus Bamako, der Hauptstadt von Mali, und aus Berlin, zum Zeitpunkt des Projekts zwischen sechs und sechzig Jahre alt, schickten sich drei Monate lang gegenseitig getanzte Videobotschaften – und begannen so einen tänzerischen Austausch über zwei Kontinente hinweg, aus dem dieser Film entstand (7. August, 20:30 Uhr).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!