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TheaterpremiereHabgier, überall

Todsünden: Wie in dem Thriller "Sieben" geht es dem Theaterautor Rafael Spregelburg um die Undurchschaubarkeit der modernen Welt. Sein Stück "Die Dummheit" hatte in Stuttgart Premiere.

Das Spielerparadies Las Vegas: Hier wird an kleinen und großen Formeln getüftelt. Ein Spielerquintett sucht ein System, wie man beim Roulette wenigstens kleine Summen gewinnen kann; ein Wissenschaftler glaubt, eine die Weltszusammenhänge erklärende Formel gefunden zu haben. Ein zwielichtiges Kunsthändlerpärchen versucht ein gestohlenes Gemälde teuer zu verkaufen. Drei motorisierte Polizisten finden erst eine Leiche und dann einen Koffer mit den Millionen aus dem Kunstdeal. Dann ist da noch der arbeitslose Schauspieler John Posgate, den die Verantwortung für seine behinderte Schwester Ivy quält.

Das sind nur die fünf zentralen Handlungsstränge, die Rafael Spregelburd in seinem Stück "Die Dummheit" in einem verklausulierten System aus Zufällen verwirbelt. So verwickelt und absurd die verschiedene Film- und Fernsehgenres zitierende Handlung ist, für jede der insgesamt 24 Figuren geht es nur um eines: ums Geld. Es dominiert die kleinlichen Auseinandersetzungen des Spielerquintetts, wenn die Spesenkasse nicht stimmt, und zerstört die ohnehin kaum vorhandenen zwischenmenschlichen Beziehungen. Und es lässt alle Skrupel verschwinden, wenn es um die Millionengeschäfte mit Kunst und Wissenschaftsformeln geht.

Im vierten Teil einer Reihe über die sieben Todsünden thematisiert der argentinische Autor die Habgier. Das klingt nach alttestamentarischer Strenge und lässt zudem an den Thriller "Sieben" denken. Beide Assoziationen haben ihre Berechtigung. Obwohl es in Friederike Hellers Inszenierung im Depot, der kleinen Bühne des Stuttgarter Staatsschauspiels, zugeht wie in einer abstrusen Mixtur aus völlig überdrehter Sitcom, "Oceans Eleven" für Kleinbürger und Satire auf die Absurditäten des Kunstgeschäfts, durchzieht eine pessimistische, fast zynische Sicht auf die Menschen Spregelburds Stück. "Es sind Zeiten enormer Dummheit", konstatiert der Wissenschaftler Robert Finnegan an einer Stelle. Und wie David Fincher in seinem Film geht es dem 37-jährigen Autor um die Undurchschaubarkeit der modernen Welt.

Friederike Heller versucht mit der ordnenden Hand einer Dramaturgin Transparenz in die Unübersichtlichkeit der Handlung zu bringen. Das Kunststück gelingt ihr, obwohl sie zwischen den Szenen hin und her zappt und alle 24 Rollen von nur fünf Schauspielern darstellen lässt. Diese bewältigen die schnellen Rollenwechsel allerdings famos. Mit Krimispannung hat die analytisch vorgehende Regisseurin nichts im Sinn, sie bricht dies, beispielsweise durch das funktionale, lediglich aus zwei schwarzen Türen und einem Fernseher bestehende Bühnenbild (Ausstattung: Sabine Kohlstedt).

Das Problem des Stücks sind die Figuren. Diese bleiben nichtssagende Klone gesellschaftlicher Typen, die Salven sprachlicher Banalitäten wie aus dem Maschinengewehr abfeuern. Das mag beabsichtigt sein, da es dem Autor ja wohl um die Hohlheit und egozentrische Zweckorientiertheit unserer Gesellschaft zu tun ist. Aber man nimmt wenig Anteil an den stereotypen Charakteren.

Die aggressiven Ausbrüche der Figuren, ausgelöst durch Kleinigkeiten, sollen vermutlich vermitteln, dass unter der Oberfläche des alles beherrschenden Strebens nach materiellem Gewinn doch noch so etwas wie die Suche nach Sinn gärt. Dass beispielsweise der arbeitslose Schauspieler Posgate (Peter Sikorski) sein Tête-à-Tête mit der Kino-Platzanweiserin Berta (Elisabeth Findeis) wütend abbricht, weil sie auf seine reichlich unmotiviert ins Spiel gebrachte Frage nach einem wohlwollenden Gott nur mit Erklärungen aus Filmen dienen kann, wirkt allerdings unglaubwürdig. Am ehesten bewegt noch die Beziehung zwischen dem Bruder und der behinderten Schwester (Mandy Rudski). Auch Arnold Wilcox, das Sensibelchen im Polizistentrio, gestaltet Peter Sikorski als eine anrührende Figur, weil er mehr daraus macht als nur eine Karikatur.

Die exaltierte Absurdität, mit der Friederike Heller die Szenen zuspitzt, wirkt auf die Dauer eher enervierend als dass sie uns das Innenleben der Figuren näher bringt. Vielleicht hätten ein paar Momente des Innehaltens, ein Raum für Zwischentöne, da mehr erreichen können. So wirkt das Stück letztlich überkonstruiert.

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