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Theatermacher

■ C.Bernd Sucher porträtiert zehn Regisseure

Der Theaterredakteuer der 'Süddeutschen Zeitung‘ C. Bernd Sucher hat zehn Regisseure des bundesrepublikanischen Gegenwartstheaters in scharfsinnigen Essays porträtiert. Den Texten ist Suchers Lust am Zusehen, am hellwachen Erleben von Aufführungen anzumerken. Trotzdem kommt auch er nicht ohne die professionelle Besserwisserei aus. Im Vorwort erklärt er, daß für ihn die Arbeit eines Regisseurs nur dann einen Wert habe, „wenn sie den Zuschauer mit einem aufklärerischen Duktus konfrontiert (...) um den Zuschauer zu einer Einsicht verführt (...) Das Theater muß für mich eine aufklärerische Anstalt bleiben, allen modischen reaktionären Tendenzen zum Trotz.“ Zum Glück hält sich Suchers Blick, zum Glück halten sich seine Essays nicht knechtisch an diese Gemeinplätze.

Gerade einem Regisseur, der sich keinen Pfifferling für einen „aufklärerischen Duktus“ interessiert, einem, der sich als „elitär“, als kulturkonservativ versteht, widmet Sucher einen seiner aufmerksamsten Texte: Dem Regisseur Luc Bondy, dessen Arbeiten mit Sicherheit zum Feinsten, Leichtesten gehören, was man in den letzten Jahren auf bundesrepublikanischen Bühnen sehen konnte, Inszenierungen von großer Genauigkeit, gleichsam eine Welt im Schwebezustand herstellend, ohne in eine verschwommene Schwärmerei abzugleiten. Sucher zeigt, vielleicht gegen seinen Willen, daß in diesen, an der Oberfläche vollkommen unpolitischen, in keiner Weise an gesellschaftlichen Veränderungen interessierten Arbeiten mehr über Gefühls- und Bewußtseinszutände der Zeit zu erfahren ist, als in den berühmt aufklärerischen, plakativ engagierten Inszenierungen anderer Regisseure. Bondys Arbeiten, die eine große, in der Realität kaum erlebbare Schönheit und Gefühlsintensität herstellen, sind von politischer Sprengkraft: Sie zeigen durch die Kontraste die mentale Verkümmerung, die wachsende Häßlichkeit der Realität. Einen anderen, ähnlich unpolitischen Regisseur feiert Sucher als „Genie“, als einen „Seher“: Klaus Michael Grüber, aus dessen Destruktionen bekannter Stücke „Traumbilder, Alpgesichte, verstörende, zuweilen schwer zu entschlüsselnde gespielte Kommentare zu den Texten“ werden. In der exemplarischen Beschreibung und Analyse einiger zentraler Inszenierungen (Fasut, 1975; Berenice, 1985; Die Affäre Rue de Lourcine, 1988) versucht Sucher Grübers Sprache, vor allem seine „Reduzierung auf wenige theatrale Mittel, (...) auf armes Theater“ zu zeigen. Sucher ist fasziniert vom „mythischen Raum“, den Grübers Inszenierungen herstellen: „Er hört in Räume und sieht Texte; er entdeckt in Mauern Leben und findet in den irrwitzigsten, geschwätzigsten Stücken den Tod.“ Suchers Porträts sind entschieden und offen wertend. Dabei verhehlt er selten seine Zuneigung oder Antipathie. Seine Wertungen sind nicht immer die der Mainstream-Kritik. So polemisiert er scharf gegen Jürgen Flimm, ein Everybody's Darling und einer der renommiertesten deutschen Regisseure. Sucher vermutet als Preis, den Flimm für seine Beliebtheit zahlt, eine „Verkürzung, Vereinfachung“, Flimms politisches Engagement verführe ihn zu einem „Wunsch nach Aktualität, die er nahezu gewaltsam einbringt“. Interessanter scheint Sucher die Regiearbeit zweier Outlaws: Die des ästhetischen Extremisten und (meist produktiven) Monomanen Hans Neuenfels und die des von der Kritik in seltener Einigkeit geschmähten Hansgünther Heyme, der in selbsternannter Piscator-Nachfolge seit Jahrzehnten ein die gesellschaftlichen Widersprüche aufreißendes Theater zu machen versucht. Sucher gefällt die Konsequenz und Schärfe, die Sprödheit und Ungefälligkeit von Heymes Arbeit.

Auch die Auswahl der Regisseure, die Sucher beschreibt, ist offen subjektiv: Nicht die zehn wichtigsten, sondern die zehn ihm am zugänglichsten, bekanntesten, interessantesten Regisseure stellt er vor. Es gelingt Sucher, den Leser mit seinem Blick vertraut zu machen. Bemerkenswert allerdings ist auch die Chuzpe und Eleganz, mit der Sucher ein anderes Buch mit Interviews einiger Regisseure plündert: sechs der zehn von ihm vorgestellten Regisseure sind auch dort (Kässens, Gronius: Theatermacher, Frankfurt 1987) vertreten, die zitierten Interviewpassagen dürften locker ein Viertel der entsprechenden Essays ausmachen.

Peter Laudenbach

C.Bernd Sucher: Theaterzauberer 2, 10 Regisseure des deutschen Gegenwartstheaters, 250 Seiten, 48 DM, Piper -Verlag

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