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Theater vor dem Ruin: „Wir haben das Betteln satt“

■ Senator Scherf bekommt heute seinen Förderpreis vom Schnürschuh-Theater zurück / Gespräch über die Verhinderung der Kultur

Heute um elf Uhr tritt eine Abordnung des Schnürschuh -Theaters in Kultursenator Scherfs Büro und schmeißt ihm in aller Form einen Krempel hin. Es handelt sich um den „Sonderpreis des Bremer Förderpreises“, dem Theater im letzten Jahr verabreicht für die Produktion „Püppchen“: ein steifes Blatt Papier und 1500 Mark. Scherf kriegt nun beides zurück. Das Schnürschuh-Theater macht den Senator dafür verantwortlich, daß es vor dem Ruin steht. Es fehlen 250.000 Mark. Das sind 0,6 Prozent vom Etat des Bremer Theaters. Die taz sprach mit VertreterInnen der freien Theatergruppe.

taz: Habt ihr damals gelacht über das bißchen Geld?

Reinhard Lippelt: Gelacht schon. Aber bitter ist das auch. Der lächerliche Betrag ist ja symptomatisch für den Umgang mit Freiem

Theater in Bremen. Wir bekommen bisher nur Sachkostenzuschüsse, insgesamt gut 20.000 Mark. Weil wir als Jugendtheater natürlich nur wenig Eintrittsgeld verlangen können, reicht das hinten und vorne nicht. Deshalb waren bisher wir und die Kulturbehörde froh, daß unsere Personalkosten als ABM vom Arbeitsamt übernommen worden sind.

Und warum geht's jetzt nicht mehr weiter?

Kurt Wobbe: Weil das Arbeitsamt nach zehn Jahren nicht mehr mitmacht...

Karin Uthoff: ...was wir im Grund auch einsehen. Die wollen, daß jetzt endlich die Kulturbehörde zahlt.

Warum habt ihr nicht schon früher randaliert?

Corinne Senkbeil: Man hat uns immer wieder mit schönen Worten

vertröstet, jahrelang geht das schon so.

Reinhard: Wir haben sehr mühsam noch mit Scherfs Vorgänger Franke ein Konzept zur finanziellen Absicherung des Schnürschuh-Theaters ausgearbeitet.

Wie sollte das gehen?

Reinhard: Wir sind sieben Leute. Zwei von unseren Stellen finanzieren wir auf Anforderung des Arbeitsamtes schon seit einem Jahr selber. Mehr schaffen wir nicht. Eine Stelle will der Senator für Arbeit aus seinem Stammkräfteprogramm bezahlen, eine übernimmt noch das Arbeitsamt, zwei blieben übrig für das Kultur-und eine für das Jugend-Ressort. So oder so ähnlich könnten wir weitermachen.

Und Scherf will das nicht?

Corinne: Nein.

Karin: Jedenfalls versuchen wir seit drei Wochen erfolglos, mit ihm einen Gesprächstermin zu kriegen. Aus seiner Behörde hören wir, die Bereitschaft zu zahlen bestünde wohl, zumal es sich nur um zwei von den vier benötigten Stellen handelt, also um 120.000 Mark; allein der Senator will nicht, auf keinen Fall. Selbst die Jugend-und Sozialbehörde lehnt ab und signalisiert, daß dahinter ein Votum ihres ehemaligen Se

nators Scherf steht.

Er wird sagen, daß kein Geld da ist.

Kurt: Wir, da wir nun wie durch ein Wunder das älteste Bremer Jugendtheater geworden sind, wir hören das seit 14 Jahren. wir haben es satt.

Reinhard: Das neue Kongreßzentrum wird mit 110 Millionen doppelt so teuer wie geplant. Umstandslos genehmigt. Dabei muß der Hamburger Klotz schon subventioniert werden.

Karin: Heute steht in der Zeitung, daß ein Nachtragshaushalt über die Bühne ging. 40 Millionen von wegen Erhöhung der öffentlichen Personalkosten. Und wir müssen jedes Jahr betteln gehen, um ein bißchen Geld aus dem Lottotopf zu kriegen. Mit dem wir nicht mal sicher rechnen können. Und da kommen tatsächlich häufig Leute vom Freien Theater nach Bremen, weil man ihnen gesagt hat, hier gäbe es eine vielfältige Szene.

Vielleicht will man euch gar nicht.

Kurt: Das wollen wir mal nicht glauben. Aber die Kulturbehörde ist mit ihrer chronischen Untätigkeit ein großes Hindernis für freie Kultur geworden. Anstöße hat sie ohnehin noch nie gegeben. Man sollte sie wirklich auflösen, das

gibt sechs ersparte Millionen, mit denen man was machen könnte.

Und was macht ihr jetzt?

Reinhard: In einer Woche die

nächste Aktion, die ist noch geheim, und wenn alles nichts hilft, sind wir am 1. Juli arbeitslos. Fragen: scha

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